Politik/Ausland

In der Zukunftswerkstätte der Welt

Karl Slama ist ein top-qualifizierter Techniker. Der Steirer ist einer von 8000 Mitarbeitern der Grazer Firma AVL, eines Spezialisten für Antriebstechnik und Prüfmethoden.

Karl Slama befindet sich auf einer besonderen Mission. In der kalifornische Außenstelle von AVL soll er dem technologischen Fortschritt auf den Puls fühlen.

Kalifornien ist dafür exakt die richtige Destination, denn hier befindet sich die Zukunftswerkstätte der Welt. Ein Blick auf die Statistik illustriert die ökonomische Kraft dieses US-Bundesstaats: Mit knapp 40 Millionen Einwohnern schuf Kalifornien 2015 ein Wirtschaftsvolumen von 2,2 Billionen Euro – mehr als Brasilien oder Frankreich.

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Hier tummeln sich Google, Twitter, Facebook und Uber. Im benachbarten Nevada forscht Tesla nach Batteriespeichern, um den Verbrennungsmotor in den Tabernakel der Geschichte zu verbannen. Hand in Hand mit dem Entsorgen des Auspuffs soll das computergesteuerte, selbstfahrende Fahrzeug Einzug halten. Nicht mehr in den Fabriken Ohios, sondern in den Start-ups des Silicon Valley wird die Geschichte der Mobilität geschrieben.

Fieberhafter Wettlauf

Einer der Ersten, der die geheimen Forschungsergebnisse in diesem fieberhaften Wettlauf zu Gesicht bekommt, ist Karl Slama. Weil nämlich AVL die Elektro-Antriebe testet. Energiefluss, Bremssystem, Reifenrutschfestigkeit, Fahrzeugstabilität – alles muss auf die neue Antriebstechnik abgestimmt und – mehr denn je – geprüft werden. Denn schließlich müssen die künftigen Käufer erst einmal Vertrauen zu den autonomen Fahrkünsten ihrer Autos fassen.

"Lange Zeit hat es keine großen Fortschritte gegeben, aber jetzt ist die Sache unaufhaltsam unterwegs", schwärmt Bruce Falls, Chef von AVL-Kalifornien.Er führt den KURIER durch verschiedene Test-Stationen im Werk. Auch an Elektro-Bussen wird hier gearbeitet. Fotografieren ist de facto unmöglich, jede Kabelbuchse könnte Geheimnisse der AVL-Kunden, der Auto- und Bus-Hersteller verraten.

Parkplatz lotst Auto

Zum smarten Auto gehört das smarte Parken. Auch hier ist eine österreichische Firma ganz vorne dabei. Skidata, der Salzburger Spezialist für Zugangstechnik, hat einen dicken Fisch an Land gezogen. MGM, ein Hotel-, Casino- und Unterhaltungskonzern mit zehn Milliarden Umsatz, hat den Österreichern die Errichtung eines Parksystems in Las Vegas anvertraut. Bei dem neuen Auftrag wird eine Art Vorstufe für das Parken selbstfahrender Autos eingeführt. In Las Vegas bekommen die Hotelgäste erstmals einen Parkingpass aufs Handy gesandt, bevor sie im Hotel ankommen.

Skidata hat ein Meldesystem für freie Parkplätze entwickelt. Ein im Boden eingelassener "Frog" zeigt einen freien Parkplatz an. Derzeit kommuniziert der Frog mit dem Handy des Fahrers. Er könnte aber auch mit dem selbstfahrenden Auto kommunizieren und es auf den Parkplatz lotsen.

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"Alle österreichischen Firmen, die auf dem hoch kompetitiven US-Markt tätig sind, sind absolut am Puls der Zeit", sagt Rudolf Thaler, seit sieben Jahren österreichischer Wirtschaftsdelegierter an der US-Westküste. Die Entwicklung gehe so rasch voran, dass jede Firma ständig aufpassen müsse, durch eine neue Technologie nicht aus der Bahn geworfen zu werden. Arbeitsplätze würden wegfallen, neue würden entstehen. Thaler: "Es wird vielleicht keine Taxifahrer, Bus- und Lkw-Lenker mehr geben. Dafür braucht man Fachkräfte, die die Roboter servicieren."

Alles wird smart

In Zukunft werde nicht nur das Handy "smart" sein, sondern alles: die Städte, die Wohnung, die Autos. Die Geräte werden miteinander kommunizieren und ihre Daten verknüpfen. Thaler: "Momentan sind fünf Milliarden Dinge miteinander vernetzt, bis 2030 werden es 200 Milliarden sein." So kann in Zukunft ein Lift in einem Hotel ein Feedback geben, wonach bald eines seiner Teile kaputt wird, in weiterer Folge selbstständig beim Hersteller den Fertigungsauftrag für das Teil auslösen und den Reparaturauftrag durchführen lassen.

Absolut am Puls der Zeit ist auch CXC, ein Produzent von Rennsimulatoren. In den Firmenräumen in Los Angeles stehen eine Drohne und ein 3-D-Drucker herum. Die Simulatoren sind mit echten Pedalen gebaut, und der Sessel rüttelt, als wenn man wirklich im Fahrersitz säße. Ein dreidimensionaler Bildschirm rundet das virtuelle Echtheitserlebnis ab. Derzeit sind die CXC-Kunden hauptsächlich Sportwagenbesitzer, die im Wohnzimmer am Simulator fahren üben. CXC-Mitbesitzer Jochen Repolust glaubt, dass sich sein Kundenstock künftig erweitern wird: "Wenn es die selbstfahrenden Autos gibt, wird der Simulator das einzige, echte Autofahrerlebnis sein."