Politik/Ausland

Im Zweckbündnis gegen die EU

Obwohl sie sich selber als „EU-Phobikerin“ definiert, ist Marine Le Pen unermüdlich unterwegs, um ein Zweckbündnis rechtspopulistischer Parteien zu schmieden, das nach den EU-Wahlen im Mai 2014 die Bildung einer eigenen Fraktion im europäischen Parlament ermöglichen soll. Mit dem Treffen zwischen der Vorsitzenden der französischen Front national und dem Chef der niederländischen „Partei für die Freiheit“, Geert Wilders, in Den Haag am Mittwoch nimmt dieses Bündnis genügend klare Konturen an, um dessen programmatische Substanzlosigkeit zu veranschaulichen.

Differenzen

Beide wissen, als was sie nicht erscheinen wollen, nämlich als Nachfolgebewegungen der Nazis oder anderer faschistischer Vorkriegsparteien, weswegen sie sich von der ungarischen Jobbik und ähnlichen Vereinen abgrenzen. Beide wissen auch, wogegen sie sind, nämlich den freien Personenverkehr in der Schengenzone, den EU-Binnenmarkt, den Euro und die Migranten aus muslimischen Ländern – obwohl in letzterem Fall, Differenzen anklingen: Wilders vergleicht den Koran mit Hitlers „Mein Kampf“ und möchte ihn verbieten, während Le Pen einen diskreten und begrenzten Islam als Komponente Frankreichs akzeptiert.

Aber was käme nach dem „Zusammenbruch der Europäischen Union“, den Marine Le Pen in einem KURIER-Interview im Juni 2012 als ihr „Wunschziel“ bezeichnet hatte? Die vage Antwort lautet „Patriotismus“. Mehr ist nicht drin, weil beide grundverschiedene Lösungsvorschläge für die wirtschaftlichen Probleme ihrer jeweiligen Länder anbieten: Marine Le Pen will bei der Aufwertung des Staats, den Reichensteuern, den Gehaltserhöhungen für Niedrigverdiener und in Sachen Pensionsantritt ab 60 Jahren die amtierende französische Linksregierung überbieten. Wilders ist wirtschaftsliberaler Prägung und sucht in allgemeinen Steuersenkungen sein Heil.

Diese Ungereimtheiten werden die Erfolgsaussichten zumindest der Front national(FN) bei den EU-Wahlen kaum mindern. Laut Umfragen könnte sie mit 24 Prozent zur relativ stärksten Partei Frankreichs aufsteigen. Die meisten Wähler der FN wollen bloß daran glauben, dass sich ihre prekäre wirtschaftliche Lage bessern würde, wenn erst einmal „Migranten“ von Sozialleistungen ausgeschlossen bleiben und die alten Landesgrenzen für Personen und Waren wieder dicht gemacht werden.

Signalwirkung

Auch wenn isolationistische Parteien zurzeit in mehreren europäischen Staaten Aufwind spüren und sich die EU-Wahlen traditionell als Austobplatz für Protestströmungen anbieten, könnte das erwartete französische Ergebnis ernstere Konsequenzen haben. Weniger wegen des Zustandekommens einer entsprechend gefärbten Fraktion im EU-Parlament, zumal derartige Allianzen unter Nationalisten in der Vergangenheit schnell zerfielen. Aber Frankreich bildet mit Deutschland den Kern des Einigungsprozess Kontinentaleuropas. Der Durchbruch einer Bewegung, die die EU erklärtermaßen zerstören möchte, hätte eine fatale Signalwirkung: die EU würde in eine stärkere Legitimationskrise als bisher stürzen. Während doch gerade jetzt dieser transnationale Rahmen die letzte Chance darstellt, Europas sozial regulierte Marktwirtschaft im globalen Wettlauf zu bewahren.

Die führenden Rechtspopulisten Europas

Die FPÖ macht Österreich zum Tummelplatz des Rechtsextremismus.“ So kommentieren Grüne die Zusammenkunft rechter Parteien aus mehreren Ländern am Donnerstag in Wien. Quatsch nennt das der freiheitliche EU-Mandatar Andreas Mölzer: „Irgendwo dürfen sich mündige Bürger ja wohl treffen. Das ist in einem demokratischen Europa nichts Verbotenes.“

Diskret werde das Ganze ablaufen: „Das ist keine Polit-Show in der Öffentlichkeit.“

Vertreter der FPÖ, des belgischen Vlaams Belang, der französischen Front National, der Schwedendemokraten beraten über Kooperationen – „bilateral, im Europarat und für die EU-Wahl“ im Mai kommenden Jahres, sagt Mölzer dem KURIER. „Europäische Allianz für Freiheit“ nennt sich die Truppe, der der blaue EU-Abgeordnete Franz Obermayr vorsteht. Vizepräsidentin ist Front-National-Chefin Marine Le Pen, die am Mittwoch mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders in Den Haag über ein strategisches Bündnis für die EU-Wahl sprach (siehe oben).

Gemeinsam kandidieren können die Rechtspopulisten nicht. FPÖ-Mölzer: „Es gibt nur nationale Stimmzettel.“ Ihr Ziel ist eine Fraktion „patriotischer Parteien“ im EU-Parlament nach der Wahl. 25 Mandatare aus sieben Ländern sind dafür nötig.

Mehr als 13 Jahre nach Angelobung der schwarz-blauen Regierung und den EU-Sanktionen gegen Österreich ist das Image des Landes in ausländischen Medien noch immer stark vom Rechtspopulismus geprägt. Auch als Bundespräsident Heinz Fischer zuletzt anlässlich seines Frankreichbesuchs dem französischen Wochenmagazin L'Express ein Interview gab, drehten sich zahlreiche Fragen um die Rolle von Rechtspopulismus und Nationalismus im Land. Was freilich auch daran liegt, dass das Thema bei den Franzosen gegenwärtig mindestens so brisant ist wie in Wien: Die rechtsextreme Front National (FN) von Marine Le Pen könnte laut Umfragen bei den Europawahlen im Mai 2014 stärkste Kraft werden.

Anders als in Österreich, wo die FPÖ höchstens als "rechtspopulistisch" bezeichnet wird, sprechen die Franzosen im Zusammenhang mit der FN jedoch klar, von der "Extremen Rechten". Auch wenn Le Pen zuletzt Klagen gegen all jene Medien androhte, die den Begriff weiterhin verwenden. Wie nahe sich die beiden Parteien ideologisch stehen, zeigte zuletzt jedoch die Ankündigung, man wolle gemeinsam mit Geert Wilder niederländischer PVV und den Schwedendemokraten eine gemeinsame Fraktion im EU-Parlament bilden.

Ausländerfeindlichkeit

Man dürfe Populismus und Nationalismus nicht "übereinanderlegen", erklärte Fischer im Gespräch mit dem Express. Manche Staaten des Ostens hätten große Probleme mit ihren Nationalisten. "Bei uns in Österreich ist es mehr eine gewisse Skepsis gegenüber Europa und eine gewisse Ausländerfeindlichkeit als Reaktion auf die Immigration, die mich beunruhigt."

Den Aufstieg der Extremen Rechten in Europa alleine mit der Wirtschaftskrise zu erklären, greift für Fischer zu kurz: Natürlich wäre die psychologische Situation entspannter, wenn es ausreichend Wirtschaftswachstum gebe, so der Bundespräsident. Aber, "selbst mit zwei Prozent mehr Wachstum, würde das nicht zehn Prozent weniger Stimmen für Nationalisten bei den Wahlen bedeuten. Man darf den irrationalen Anteil der sich in dieser Haltung ausdrückt, nicht unterschätzen." Es sei Aufgabe der Politik "unermüdlich darauf hinzuweisen, dass dieser Nationalismus, der ein Produkt des 19. Jahrhunderts ist, im 21. Jahrhundert Unsinn ist."

Schmerzhafte Vergangenheit

Ob er glaube, dass sich die Gefahr des Populismus in Österreich mittlerweile abgeschwächt habe? Die Sanktionen im Jahr 2000 gegen Österreich seien "übertrieben" gewesen, erklärt Fischer. Zwar stimme es, dass Österreich eine "schmerzhafte Vergangenheit" geerbt habe. "Aber Sie können uns vertrauen: Dank der Stabilität unseres politischen Systems, wissen wir damit umzugehen. Österreich wird kein ansteckender Faktor mehr sein."

Das Vernetzungstreffen der europäischen Rechtspopulisten am Donnerstag sorgt für politische Differenzen: "Die FPÖ stellt sich alle paar Tage offensiv ins rechtsextreme Eck", sagt der Grüne Nationalratsabgeordnete Harald Walser – er hält den Freiheitlichen vor, „sich im europäischen braunen Sumpf offenkundig wohl“ zu fühlen. Damit „patzt damit gleichzeitig ganz Österreich mit an", sagt Walser.

Walser kritisiert die Eingeladenen: "2012 attackierte der Abgeordnete der Schwedendemokraten, Kent Ekeroth, mit zwei weiteren Parteifunktionären und mit Eisenstangen bewaffnet eine junge Frau und einen Migranten. Im Jänner des gleichen Jahres war er neben Marine Le Pen Straches Ehrengast beim WKR-Ball 2012. Bereits 2011 reiste Strache mit einer FPÖ-Delegation nach Schweden und führte laut eigener Aussage ,erfolgreiche Gespräche` über eine ,weitere intensiven Zusammenarbeit` mit Kent Ekeroth."

Walser verweist darauf, dass Parteien wie die Schwedendemokraten, der Vlaams Belang oder der Front national von Marine Le Pen in ihren Ländern eine isolierte Position außerhalb des demokratischen Spektrums einnehmen. "Die FPÖ wird nicht ausgegrenzt, sie grenzt sich tagtäglich selbst aus. Ein Cordon sanitaire gegenüber dieser Partei sollte eine Selbstverständlichkeit sein", sagt Walser.