Helfer: Katastrophen-Winter droht
"Gestern hat es den ganzen Tag lang geregnet. Alle Flüchtlinge, die hier im Lager Opatovac angekommen sind, waren bis auf die Haut nass", schildert Ionta Pasquale. Aber wie der Mitarbeiter der Caritas im großen kroatischen Flüchtlingscamp nahe der serbischen Grenze beobachten konnte, nahm sich kaum ein Flüchtling Zeit, auch nur durchzuatmen.
Nur schnell die nassen Kleider loswerden, sich von den kroatischen Behörden registrieren lassen – und dann sofort in die Busse oder in den Zug Richtung Ungarn.
88.500 Flüchtlinge sind in den vergangenen zwei Wochen in Kroatien angekommen, seit Ungarn mit seinem Stacheldrahtzaun den Zugang von Serbien geschlossen hält. Seither weichen die Flüchtlinge auf der so genannte Balkanroute, über Griechenland, Mazedonien und Serbien kommend, über Kroatien aus. Dort aber bleiben sie kaum länger als zwei, drei Stunden, erzählt Ionta Pasquale. "Alle fragen nur: Wie lange dauert es, bis wir in Österreich oder in Deutschland sind? Niemand will hier bleiben. Gestern war ich direkt an der Grenze und habe dort mit einer jungen syrischen Familie gesprochen", erzählt der Caritas-Mitarbeiter dem KURIER. "Ihr kleines Mädchen war krank, hatte Fieber. Aber trotzdem wollten sie nur so schnell wie möglich weiter. Sie sind mit ihrem fiebernden Kind in den Bus gestiegen."
Durchgewunken
Die Regierung in Zagreb sorgt dafür, dass die Flüchtlinge an die Grenze zu Ungarn gebracht werden. Jeden Tag kommen zwischen 5000 und 7000 Menschen in Kroatien an. Nahezu alle sind ein paar Stunden später bereits wieder außer Landes. Und zwar in Ungarn, wo man die Flüchtlinge eilends in Richtung Österreich durchwinkt.
Noch haben Regen, Kälte und zunehmend schlechtes Herbstwetter die Flüchtlingswellen nicht eingedämmt. Im Gegenteil, befürchtet Caritas-Mitarbeiter Pasquale, könnte der Strom von Flüchtlingen in den nächsten Wochen noch einmal deutlich zunehmen: "Es sieht so aus, als ob die Flüchtlinge unbedingt noch vor dem Winter ihr Ziel erreichen wollen." Zigtausende könnten also versuchen, sich noch so schnell wie möglich von der Türkei aus auf den Weg in Richtung Deutschland oder Nordeuropa zu machen. "Die Leute sind jetzt wie in einem Marathon, sie wollen unbedingt ganz schnell noch ihr Ziel erreichen."
Eiskalte Nächte im Freien
Denn spätestens in einem Monat wird es in Kroatien und Serbien so kalt sein, dass niemand mehr im Freien übernachten kann. Hilfsorganisationen fordern dringend die Errichtung von festen Unterkünften ein. "Wenn sich die Situation im Winter fortsetzt, muss man mit mehr Toten rechnen", warnte gestern die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Auch die deutsche Politik steht vor großen Herausforderungen: Tausende Flüchtlinge leben vorerst noch in Zelten – untauglich für die kalten Wintermonate.
In Kroatien hat die Regierung begonnen, aufgelassene Kasernen für Flüchtlinge umzurüsten. Denn im größten Auffanglager des Landes, in Opatovac, kann man schon sehr bald nicht mehr übernachten. Schon nach einem intensiven Regentag wie gestern, schildert Ionta Pasquale, stand das Wasser im Camp kniehoch.