Politik/Ausland

Der Premier und seine Schreckgespenster

Zwei Schreckgespenster gehen um in Großbritannien – und der konservative Premier David Cameron wird nicht müde, sie immer wieder heraufzubeschwören: Polit-Chaos durch ein Parlament, in dem es keine absoluten Mehrheiten gibt; und eine für das Land ebenso "gefährliche" Links-Koalition aus der größten Oppositionspartei Labour und der Schottischen Nationalpartei (SNP). Einziger Ausweg, so Cameron: ein Kreuz bei den Tories bei der Unterhauswahl am 7. Mai.

Wie entscheidend ihre Stimme ist, wollte Cameron den Wählern Donnerstagabend vor Augen führen. Auf ITV stand eine Konfrontation der Kandidaten von sieben Parteien auf dem Programm – ein Novum für Großbritannien mit seinem bisher fest verankerten Zwei-Parteien-System. Dass die Elefantenrunde (Konservative, Labour, mitregierende Liberaldemokraten, SNP, UKIP, Walisische Partei und Grüne) zustande kam, liegt an Camerons Weigerung, sich seinen Herausforderern in Duellen zu stellen – bei den Wahlen 2010 hatte er da oft schlecht abgeschnitten. Und so gab es bisher auch nur ein TV-Aufeinandertreffen zwischen Cameron und seinem Hauptgegner, Labour-Chef Ed Miliband. Bei diesem sprachen die beiden jedoch nicht miteinander, sondern nacheinander.

Polit-Experten betrachten die bevorstehende Wahl als schwierigste seit Jahrzehnten. In Umfragen liegen Tories und Labour mit je ca. 35 Prozent gleichauf, auf Platz drei (12 %) liegt die rechtspopulistische UKIP, die mit ihrem Anti-EU-Kurs bei den Europawahlen 2014 stimmenstärkste Partei war. Kleinparteien wie die SNP könnten durch das Mehrheitswahlrecht Bedeutung bei der Regierungsbildung erlangen.

Negativ-Kampagne

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Beobachtern zufolge wollte Cameron die gestrige Debatte nutzen, um ohne viel eigenes Zutun für sich und die Tories zu werben; er werde das Stimmen-Durcheinander als Vorgeschmack auf ein Chaos durch fehlende Mehrheiten ("hängendes Parlament") darstellen, hieß es. Sollten sich Labour-Chef Miliband und SNP-Chefin Nicola Sturgeon in der TV-Konfrontation weitgehend einig sein, so analysierten Beobachter vorab, werde das Camerons Szenario einer bereits ausgemachten Links-Koalition festigen. Sollten sie sich in die Haare kriegen, würde das Chaos demonstrieren.

Inhaltlich drehte sich der offiziell erst am Montag eröffnete Wahlkampf bisher vor allem um die Themen Wirtschaft (die Tories fuhren in den vergangenen Jahren einen strengen Sparkurs, der dem Land laut Cameron und Wirtschaftstreibenden half, laut Miliband aber schadete) und die EU. Cameron versprach erneut eine Abstimmung über einen Verbleib in der Union, Miliband lehnt das ab.

Camerons Negativ-Wahlkampf, der die Schwächen der Gegner in den Mittelpunkt stellt, ist in der Partei nicht unumstritten. Zahlreiche Mitglieder verlangen eine Änderung der Taktik. Cameron solle lieber eine positive Zukunft skizzieren – und damit überzeugen.

Knapp sechs Wochen vor der britischen Parlamentswahl hat es bei der wichtigsten Fernsehdebatte Umfragen zufolge keinen klaren Sieger gegeben. Nach der Diskussion am Donnerstagabend machten drei verschiedene Institute vier Gewinner aus. Damit scheinen sich Erwartungen zu bestätigen, dass das Wahlergebnis am 07. Mai so knapp wie seit den 70er-Jahren nicht mehr ausfallen könnte.

Bei der Debatte am Donnerstag konnte einer Umfrage zufolge die Chefin der schottischen Nationalisten, Nicola Sturgeon, als Siegerin hervorgehen. Andere Demoskopen ermittelten den Labour-Vorsitzenden Ed Miliband als Gewinner, während eine dritte Erhebung den konservativen Ministerpräsidenten David Cameron und den Chef der euroskeptischen UKIP, Nigel Farage, gleichauf in Führung sahen.

Insgesamt beteiligten sich an der Debatte, die in der Nähe von Manchester stattfand und im Sender ITV live übertragen wurde, sieben Kandidaten. Dabei ging es um Themen wie Wirtschaft, Gesundheitssystem und Einwanderung. Cameron ist Umfragen zufolge beliebter als seine Herausforderer und wollte eine direkte Konfrontation mit Labour-Chef Miliband vermeiden.