Politik/Ausland

„Cameron hat sich selbst ins Eck manövriert“

Der britische Premierminister David Cameron geht auf Distanz zur Europäischen Union – und auf Konfrontationskurs mit Brüssel: Am Donnerstag wurden die Gesetze für Einwanderer verschärft, auch für jene aus der Union. Steven Blockmans vom Brüsseler „Centre for European Policy Studies“ analysiert im KURIER-Interview Camerons EU-Strategie.

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KURIER:Cameron hat für spätestens 2017 ein Referendum über den Verbleib in der EU versprochen – will er wirklich, dass die Briten austreten?

Steven Blockmans: Ich gehe davon aus, dass er mittlerweile bei der Abstimmung ein „Nein“ zum Austritt anstrebt. Er hat begriffen, was für Großbritannien auf dem Spiel steht, wie viel hier verloren gehen könnte. Es scheint eine Abkehr von seiner früheren Position gegeben zu haben, die lautete: „Lasst uns diesen Blödsinn beenden und alleine weiter machen.“ Ich denke und hoffe, dass die Wähler das ähnlich sehen. Abgesehen davon wird bei jedem Referendum eher für Kontinuität gestimmt als für Wandel.

Die entscheidende Frage für die Briten ist doch: Sind sie besser dran als EU-Mitglied?

Es ist klar, dass ein Austritt für die britische Wirtschaft durch die Verflechtung mit der EU sehr negative Konsequenzen haben würde. In einer aktuellen Studie haben die Kollegen vom Londoner „Centre for European Reform“ das ausgerechnet – mit dem Ergebnis, dass es noch viel schlimmer wäre als die Leute denken. Das Problem ist: Es ist einfach und populär zu sagen, „wir zahlen so viel nach Brüssel und kriegen nichts zurück“. Es ist viel schwieriger, den genauen Gegenwert der EU zu beziffern.

Wie würde ein Austritt aus britischer Sicht aussehen?

Natürlich könnten die Briten wirtschaftlich außerhalb der EU überleben – denken Sie an die Schweiz oder Norwegen. Allerdings: Norwegen übernimmt viel EU-Recht automatisch – das würde den Austrittsgedanken ad absurdum führen. London müsste auf eine Schweiz-ähnliche Situation mit Hunderten Einzelabkommen bestehen – daran hat die EU kein Interesse. Dazu kommt, dass das vor dem Austritt verhandelt werden müsste und beide Seiten einander in Geiselhaft nehmen könnten.

Cameron hat einen „neuen Deal“ mit der EU versprochen, er will in manchen Bereichen Macht aus Brüssel zurückholen. Was, wenn er den Deal nicht bekommt?

Er hat sich da selbst ziemlich ins Eck manövriert. Auf der einen Seite gegenüber den EU-Skeptikern in seiner Partei, auf der anderen Seite gegenüber dem gemäßigten Teil der Tories und Liberalen, mit denen er koaliert. In der EU hat das dazu geführt, dass Staaten wie Deutschland einen neuen EU-Vertrag hinauszögern – obwohl man ihn für die Stärkung mancher Bereiche brauchen würde.

Den Vorwurf, es wird in der EU zu viel zentral reguliert, gibt es ja nicht nur von Cameron. Ist es nicht einfach er, der esbesonders laut sagt?

Großbritannien gibt den Ton vor in der Debatte über Subsidiarität – also die Frage, was soll national, was zentral geregelt werden. Es ist eine zweischneidige Sache: Natürlich kann man sich darüber lustig machen, wenn aus Brüssel ein Vorschlag für Standards bei Toilettenspülungen kommt. Aber da geht es um einheitliche Gesundheits- und Sicherheitsstandards, die ein gemeinsamer Markt nun einmal braucht.