Politik/Ausland

EU-Gegner treiben Politik vor sich her

Eigentlich gelten sie als typisch britische Spinner, die in London vor allem für Unterhaltung oder Ärger sorgen. Doch seit der Vorwoche muss sich die britische Politik ernsthaft mit Nigel Farage und seinen fanatischen EU-Hassern beschäftigen. Die UK-Independence-Party (UKIP) hat bei Lokalwahlen in England durchgehend ein Viertel der Stimmern abgeräumt und ist in zahlreichen Orten zur stärksten Partei geworden. Und das bei einem politischen Programm, das sich relativ leicht in einem Satz zusammenfassen lässt: Raus aus der EU, und zwar so rasch wie möglich.

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Man wolle wieder Herr im eigenen Haus sein, tönt Farage, im markant nasalen Tonfall britischer Snobs – und kommt damit nicht nur bei Seinesgleichen, sondern vor allem bei der britischen Arbeiterklasse an. Die, gezeichnet von fünf Jahren Krise, macht dafür immer mehr die EU verantwortlich. Dass Deutschlands wachsende politische und wirtschaftliche Dominanz innerhalb der Union bei den Briten traditionelle antideutsche Reflexe wachruft, macht Farages Rolle noch einfacher. Er kann also nicht nur die Angst vor Brüssel, sondern auch die Angst vor Berlin bedienen.

Druck auf Premier

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Doch die UKIP hat noch weitere unfreiwillige Verbündete, allen voran die regierenden Konservativen von Premier David Cameron. Der steuert – unter dem Druck seines rechten, leidenschaftlich anti-europäischen Parteiflügels – einen zunehmend Brüssel-kritischen Kurs. Immer lauter fordert Cameron, Rechte von Brüssel zurück an die Nationalstaaten zu geben, und spielt bei immer mehr EU-Entscheidungen den einsamen Widerstandskämpfer, egal ob es sich nun um Maßnahmen zur Bewältigung der Finanzkrise oder um europaweite Zusammenarbeit von Justiz und Polizei handelt.

Doch vielen Konservativen geht es nicht nur um Ausnahmeregelungen für ihr Land, sie wollen sich aus der EU verabschieden. Zu Jahresbeginn musste der Premier endgültig dem parteiinternen Druck nachgeben und kündigte an, bis spätestens 2017 ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU abzuhalten.

Dieses Zugeständnis hat die EU-Gegner nicht besänftigt, sondern viel mehr weiter angestachelt. Mit seinem Wahlerfolg treibt Farage die Politik vor sich her, auch weil die linke Labour-Opposition sich ebenfalls nicht traut, ein klare pro-europäische Position zu beziehen. Europasprecherin Emma Reynolds, derzeit als Gast des Renner-Instituts in Wien, kämpft da als Pro-Europäerin oft auf verlorenem Posten.

Schon werden Rufe laut, das EU-Referendum vorzuziehen, es eventuell noch vor den nächsten Parlamentswahlen 2015 abzuhalten.

Davor aber drohen auf jeden Fall noch die Wahlen zum EU-Parlament. Und weil die auf der Insel nur wenige kümmern, haben bei diesen Wahlen immer die politischen Extremisten das Sagen. So wie die UKIP, im nächsten Jahr – anhaltender EU-Missmut vorausgesetzt – damit rechnen kann, zumindest zweitstärkste Partei zu werden.