Griechenland fürchtet steckengebliebene Flüchtlinge
In Griechenland steht das zweite Registrierzentrum für Flüchtlinge und Migranten vor seiner Eröffnung. Eigentlich sollten es schon fünf sein, aber Griechenland ist diesbezüglich im Verzug.
Auf der Insel Chios wird auf Hochtouren am neuen Hotspot gearbeitet: „Das Militär arbeitet Tag und Nacht. Es (das Registrierzentrum) ist fast fertig, und es sieht darin sehr gut aus“, sagte ein auf Chios stationierter Offizier der Küstenwache zur Deutschen Presse-Agentur. Wann die Eröffnung sein wird, blieb am Sonntag unklar. Der Hotspot befindet sich in der Nähe des Flughafens der Insel. Er soll eine Aufnahmekapazität von knapp 1100 Menschen haben. Die Insel Chios liegt nur knapp sieben Kilometer vor der türkischen Küste.
Es wird der zweite Hotspot sein, der in Betrieb geht. Drei weitere Registrierzentren auf den Inseln Samos, Leros und Kos sind noch im Bau.
Mazedonische Grenzschließung
In Athen wächst aber jetzt die Sorge, dass der Nachbar Mazedonien seine Grenze zu Griechenland bald endgültig schließen könnte. Zehntausende Migranten könnten dann im Land festsitzen, meinte am Sonntag der für Migration zuständige griechische Vizeminister Ioannis Mouzalas.
Nun haben auch noch mehrere europäische Staaten angekündigt, Mazedonien dabei helfen zu wollen, schon bald die sogenannte Balkan-Route für Flüchtlinge abzuriegeln. Außer Österreich, Kroatien und Slowenien bieten auch Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei ihre Unterstützung an.
"Solange eine gemeinsame europäische Strategie fehlt, ist es legitim, dass die Staaten auf der Balkanroute ihre Grenzen schützen", sagte der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak dem "Spiegel". "Dabei helfen wir ihnen."
Hilfe aus Österreich
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bot an, Mazedonien mit Polizisten und Technik zur Seite zu stehen, "eventuell sogar mit Soldaten, wenn diese gebraucht werden sollten", wie er der "Welt" sagte. "Mazedonien muss als erstes Land nach Griechenland bereit sein, den Zustrom zu stoppen." Slowenien und Kroatien haben schon länger Polizisten zur Verstärkung in Mazedonien. Auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) bekräftigte am Freitag, dass Österreich bereit sei, die Grenzsicherung in Mazedonien auch mit Soldaten zu unterstützen. "Auf die EU-Lösung können wir nicht warten, wir müssen sowohl national als auch auf der Balkanroute Grenzsicherungsmaßnahmen setzen", so das Büro des Bundesministers in einer schriftlichen Stellungnahme zur APA. "Ja, der Bundesminister hat das initiiert und wäre zur Unterstützung bereit", heißt es in der Stellungnahme.
Vor allem die so genannten Visegrad-Staaten – Slowakei, Tschechien, Ungarn und Polen – machen Druck, um eine baldige Abriegelung der Balkan-Route zu erreichen. Wenige Tage vor dem Februar-Gipfel der Europäischen Union wollen sich die Regierungschefs absprechen. Die Visegrad-Gruppe war in den vergangenen 25 Jahren ihres Bestehens selten so einig wie jetzt in der Kritik einer offenen Flüchtlingspolitik und von dauerhaften Quotenlösungen.
"Zweite Verteidigungslinie"
Im Vorfeld hatten unter anderem der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka und sein ungarischer Kollege Viktor Orban die Schaffung einer Art „zweiten Verteidigungslinie“ gegen den Flüchtlingszustrom auf der Balkanroute gefordert - etwa auf der Höhe von Mazedonien. Das wäre auch ein Ausdruck des Misstrauens gegenüber dem Schengen-Staat Griechenland.
Der mazedonische Präsident Djordje Ivanov und der bulgarische Ministerpräsident Boiko Borissow werden als Gäste in Prag erwartet. Nach einer unbestätigten Aussage des Slowaken Fico soll es aus Deutschland Kritik an dem Treffen gegeben haben. „Was erlauben sich die Visegrad-Vier, gemeinsam mit Bulgarien und Mazedonien über den Schutz der Außengrenzen zu sprechen“, habe es angeblich geheißen. In Prag dementierte dies ein Regierungssprecher. Es gehe nicht um Opposition zu Deutschland.
Griechenland erkennt Phobien
Einige Staaten in Europa litten aber unter „Phobien“ kritisiert dagegen griechische Vizeminister Mouzalas. Sie befürworteten „nationale Lösungen und diese Stimmen werden langsam die Mehrheit in der EU“, sagte Mouzalas der Athener Zeitung „Avgi“ am Sonntag. „Wir müssen uns auf eine (große) Zahl von Menschen vorbereiten, die in Griechenland bleiben werden“, sagte er weiter. In den vergangenen Tagen hatte er in anderen Medien von „mehreren Zehntausenden“ Migranten gesprochen, die in Griechenland „steckenbleiben“ könnten.
Mouzalas hatte am Vortag zusammen mit der Präsidentin der italienischen Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, die Ostägäisinsel Lesbos besucht. Dort sind seit Jahresbeginn nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) mehr als 45 000 Migranten angekommen. Boldrini kritisierte Vorschläge, die etwa zum Ausschluss von Ländern aus der Schengen-Zone führen. „Die Idee des Ausschlusses, heute Griechenlands und morgen Italien (aus der Schengen-Zone), ist eine Verneinung der Prinzipien und der Werte Europas“, wurde Boldrini von der griechischen Presse zitiert.
NATO-Überwachung brächte Komplikationen
Der Professor des Internationalen Rechts der Athener Universität Panteios, Angelos Syrigos, warnte am Sonntag in einem Beitrag in der Athener Zeitung „Kathimerini“ vor Komplikationen in der Ägäis in Zusammenhang mit der geplanten Nato-Überwachung des Migrantenzustroms entlang der Meeresgrenzen zwischen der Türkei und Griechenland. Die Region ist schon seit Jahrzehnten ein Krisenherd. Athen und Ankara standen wegen Streitigkeiten um Hoheitsrechte wiederholt vor einem Krieg. Es könnte Probleme geben, wenn die Nato-Schiffe Migranten an Bord von Booten entdecken, die sich in umstrittenen Gewässern bewegen.
Dem schloss sich der Professor für Geopolitik an der Universität Athen, Ioannis Mazis, an: „Dann werden sie (die Nato-Schiffskapitäne) nicht wissen, welche Küstenwache sie benachrichtigen sollen“, sagte er dem griechischen Nachrichtensender Skai am Sonntag.