Politik/Ausland

Tsipras setzt auf Diplomatie

Im Kreis der Finanzminister hat Yanis Varoufakis in Brüssel binnen weniger Wochen den Ruf erworben, über kein politisches Fingerspitzengefühl zu verfügen. Dieser Eindruck dürfte sich jetzt nicht nur bei den Verhandlungspartnern der Eurozone, sondern wohl auch unter den Anhängern im eigenen Land verstärken. Denn während Griechenland knapp vor der Staatspleite steht, hat sich der Mann, der seine Landsleute aus dieser Misere führen soll, für eine Homestory in der französischen Illustrierten Paris Match hergegeben: Yanis Varoufakis mit seiner Frau auf der sonnigen Dachterrasse am Fuße der Akropolis; Varoufakis und Gattin, wie sie einander über dem reichlich gedeckten Tisch zuprosten; das Paar im schmucken Wohnzimmer; Varoufakis am heimischen Klavier. Die Fotos mögen seltsam genug erscheinen für den Minister einer sehr linken Regierung; angesichts der sinkenden Lebensstandards im Land müssen sie auf viele Griechen wie eine Provokation wirken.

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Vorfühlen in Brüssel

Diplomatischer gab sich Premier Alexis Tsipras bei seinem Krisenbesuch in Brüssel am Freitag, bei dem er EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Kommissionschef Jean-Claude Juncker traf. "Ich denke, dass wir am Ende alle Missverständnisse ausräumen können", sagte Tsipras. "Wir erledigen unseren Teil und erwarten, dass unsere Partner ihren beitragen." Tsipras dürfte wieder versuchen, Griechenland auf die Tagesordnung des EU-Gipfels kommenden Donnerstag zu bekommen – im Februar hatten ihn die anderen Staatschefs damit abblitzen lassen.

Parallel zu den Verhandlungen Athens mit der Eurogruppe hat die Kommission nun eine Sonderarbeitsgruppe eingesetzt, die den Griechen bei der besseren Nutzung von EU-Fonds gegen die Arbeitslosigkeit helfen soll.

Juncker betonte, für ihn sei ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro nach wie vor kein Thema: "Dies ist keine Zeit der Spaltung, sondern des Zusammenhalts. Daher schließe ich ein Scheitern kategorisch aus." Doch so eindeutig wie Juncker sehen das längst nicht mehr alle beteiligten Politiker. Finanzminister Hans Jörg Schelling und sein deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble warnten bei einer gemeinsamen Veranstaltung in Wien Donnerstagabend vor einem "Grexident", also einem unfallsartigen Ausstieg der Griechen aus dem Euro. Die Verantwortung liege in Athen, und "da wir nicht so genau wissen, was die Verantwortlichen in Griechenland tun, können wir es ja auch nicht ausschließen", so Schäuble im ORF.

Deutsche für Euro-Austritt Athens

In Deutschland würde aktuell eine Mehrheit den "Grexit" befürworten: Laut aktuellem ZDF-Politbarometer sind 52 Prozent der Befragten dafür, dass Griechenland die Gemeinschaftswährung verlässt, 40 Prozent dagegen – vor drei Wochen war die Stimmungslage noch genau umgekehrt.

Die jüngsten Meldungen aus Athen sind wenig verheißungsvoll: Wie das Finanzministerium am Freitag bekannt gab, hat die griechische Regierung in den ersten beiden Monaten des Jahres deutlich weniger Steuern eingenommen als erwartet: 7,3 statt der prognostizierten 8,5 Milliarden.