Gratulation zu EU-60er? Es reicht nur zum "Ja, aber"!
Am 12. Juni 1994 fand die Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union statt: 66,6 Prozent der Österreicher stimmten damals dafür, es war ein überraschend hoher Rekordwert.
Mit 1. Jänner 1995 war der offizielle Beitritt vollzogen. Und heute, fast 23 Jahre später? Österreich ist in all den Jahren ein EU-affines Land geblieben, zeigen die halbjährlichen Eurobarometer-Umfragen im Auftrag der EU-Kommission. Es ist aber eine ganz andere Frage, wie die Österreicher die EU eigentlich spontan sehen und was wir von ihr erwarten. Eine OGM-Umfrage im Auftrag des KURIER zeigt überraschende Ergebnisse.
EU-Bild der Österreicher
"Welche der folgenden Gedanken beschreibt Ihr Bild von der EU am besten", wurden 500 repräsentative Österreicher gefragt. "Das war eine Frage mit vier Möglichkeiten einer Antwort, aus denen man auswählen konnte. Da hat offenbar das persönliche Bild der EU dominiert, dass die EU bei den großen Problemen, die wir zweifellos haben, nur wenig weiter gebracht hat", erklärt OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. "Das heißt nicht, dass alle EU-kritisch sind. Aber wie sich zeigt, wurden pro-europäische Argumente wie Friedenssicherung oder ein Mehr an Wohlstand durch die EU-Mitgliedschaft deutlich seltener genannt. Das hat auch damit zu tun, dass die kurzfristige Wahrnehmung über die Entwicklungen jene einer generellen Betrachtung über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten dominiert."
Positiv bewertet Bachmayer den Umstand, dass 38 Prozent der Befragten grundsätzlich begrüßen, dass Europäer für die EU demonstrieren. "Das ist im Vergleich zu jenen 41 Prozent, die das nicht begrüßen, zwar die Minderheit, hat aber nichts mit der Grundhaltung der Österreicher zur EU zu tun. Denn der Begriff ,Demonstration‘ schmeckt ja nicht jedem", erklärt Bachmayer. "Wie sich zeigt, gibt es mit 16 Prozent mehr als doppelt so viele Menschen, die sich vorstellen können, an einer Pro-EU-Demo teilzunehmen, gegenüber nur sieben Prozent, die gegen die EU aufmarschieren würden." Das zeige, dass "die Österreicher vielleicht keine ,Hurra-EU‘-Fans sind", aber eine klare Mehrheit trotz aller Probleme dafür ist, die EU keinesfalls verlassen.
In welche Richtung soll die EU gehen
Soll nun die EU – trotz des bevorstehenden EU-Austritts Großbritanniens – weiter wachsen und neue Mitglieder aufnehmen – oder ist ein Erweiterungs-Stopp, wie er derzeit in Brüssel einzementiert ist, besser? Für Bachmayer ein überraschendes Ergebnis: "Es gibt ein überwiegendes Ja zur EU. Dennoch sagen fast zwei Drittel der Befragten, dass die EU sich abschlanken und reduzieren sollte. Ohne jene Mitgliedsstaaten, die, wie man auf der Straße hören würde, nur wie ein Klotz am Bein hängen und uns jedes Jahr nur viel Geld kosten. Hätten wir nach dem Ziel der ‚Vereinigten Staaten von Europa‘ gefragt, wäre das Ergebnis wohl noch deutlicher ausgefallen."
Bachmayer glaubt, dass die ungelösten großen Probleme der EU, von der Flüchtlingskrise bis zur lahmen Wirtschaft – die Hauptgründe dafür sind, dass eine Mehrheit (52 Prozent) eine Vertiefung der europäischen Integration ablehnt und eine Stärkung der Nationalstaaten bevorzugt.
Mehrheit für Kurz-Kürzungsplan
Ein Detail hebt der Meinungsforscher hervor: Jene Befragten, die eher zur SPÖ oder ÖVP tendierten, seien bei der Frage, ob es mehr oder weniger Miteinander innerhalb der EU geben sollte, gespalten, jeweils die Hälfte sei dafür und dagegen. "Nur bei FPÖ- und Grün-affinen stimmt das Weltbild wieder, FPÖ-Wähler sind klar gegen, Grün-Wähler klar für mehr Europa."
Viel Rückenwind hat Außenminister Kurz für seine Forderung der Kürzung von Sozialleistungen für EU-Ausländer. "Das geht eindeutig aus, zwei Drittel sind für den Vorschlag des Außenministers. Auch SPÖ-Wähler sind für den Vorschlag, ebenso FPÖ-Wähler. Nur die Grün-Wählern sind dagegen ."
Noch deutlicher ist das Ergebnis bei der Frage, ob die Familienbeihilfe für Kinder im EU-Ausland gekürzt werden soll. "Da scheint die SPÖ erkannt zu haben, dass eine ablehnende Haltung äußerst schlecht ankommt."