Gipfel in Wien sucht nach Syrien-Lösung
Seit fast fünf Jahren tobt der Bürgerkrieg in Syrien, jetzt gibt es erstmals seit Langem wieder ernsthafte diplomatische Bemühungen, einen politischen Ausweg zu finden. Hinter den Kulissen laufen seit Wochen Gespräche, das Gipfeltreffen heute in Wien wurde am Rande der UN-Generalversammlung im September eingefädelt.
Wer kommt, wer sind die großen Abwesenden?
Die Außenminister der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, sowie der Türkei und Saudi-Arabiens, Feridun Sinirlioglu und Abdel al-Jubeir. Dazu kommen die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und möglicherweise der Nahost-Sondergesandte der UNO, Nikolai Mladenov (Letzterer vielleicht auch nur per Video-Schaltung). Mit ihnen, den USA und Russland wäre das sogenannte Nahost-Quartett komplett. Nicht dabei: die Regionalmacht Iran und die syrischen Konfliktparteien.
Warum findet das Treffen jetzt statt?
Der Bürgerkrieg hat bisher mehr als 250.000 Menschenleben gefordert, mehr als vier Millionen sind ins Ausland geflüchtet. In Syrien selbst sind bis zu acht Millionen Menschen Flüchtlinge.
Der Krieg ist Ursache für die regelrechte Völkerwanderung, die nach Europa stattfindet und die Stabilität der EU gefährdet. Das geht auch an den USA, die einstweilen nur 10.000 Flüchtlinge aufnehmen, nicht spurlos vorüber. Zudem produziert der Krieg eine Generation von Dschihadisten ("Islamischer Staat"), die die halbe Welt bedrohen. Auch Russland fürchtet IS-Terror auf seinem Territorium.
Vor drei Wochen hat Moskau militärisch in den Bürgerkrieg in Syrien eingegriffen, um den von den USA nur begrenzt aufgehaltenen "Islamischen Staat" zu zerstören. Offiziell. Inoffiziell auch, um das durch andere Rebellengruppen immer mehr in die Defensive geratene Regime des syrischen Präsidenten Bashar al Assad zu stützen. Es ist seither wieder in der Gegenoffensive. Möglicherweise sollen auch territoriale Fakten geschaffen und die Rebellen geschwächt werden, ehe politische Lösungen angegangen werden.
Worum genau geht es bei den Gesprächen?
Vor allem um die Frage, ob Diktator Assad Teil einer politischen Lösung sein kann, wie immer die aussieht. Für Russland ist und bleibt Assad der legitime Herrscher Syriens, er garantiert Russland auch den strategischen Zugang zum Mittelmeer. Die USA schlossen bisher eine Lösung mit Assad aus. Europäische Partner der USA, wie etwa Deutschland, haben zuletzt immer wieder von einer Übergangslösung gesprochen, die eine mit Assad sein könne. In der Türkei, neben Saudi-Arabien schärfster Assad-Gegner, wurden ähnliche Stimmen laut.
Bewegt sich Russland auch?
"Positive Resultate bei der Militäroperation werden die Grundlage bilden für eine langfristige Lösung, die wiederum alle politischen Kräfte, ethnischen und religiösen Gruppen einschließen muss", sagte Wladimir Putin. Damit hat sich Moskau schon bemerkenswert weit bewegt: Früher wollte Russland in Syrien nur die "gesunde Opposition" bei einer Friedenslösung dabei haben. Nach Lesart Moskaus hieß dies nur Gruppen, die den absoluten Machtanspruch von Assad nicht infrage stellten. Nun sollen offenbar alle Oppositionsgruppen eingebunden werden.
Welche Chancen hat das Treffen in Wien?
Es ist nach Telefonaten Kerry /Lawrow zunächst einmal das erste hochrangige, direkte Gespräch entscheidender Player. Aber wichtige – wie der Iran – fehlen. Und auch wenn es unter UN-Vermittlung zuletzt schon eine regionale Waffenruhe gab: Bis zu einer Übergangs- oder Friedenslösung ist es noch weit. Auch, weil es Dutzende unterschiedliche Rebellengruppen in Syrien gibt, islamistische wie gemäßigte, und die vom Westen unterstützte Freie Syrische Armee eine der schwächsten ist.