Politik/Ausland

Gerangel um die fünf wichtigsten Jobs in der EU

Wer wird der nächste „Mr. Europa“? Welcher Mann – oder welche Frau – wird am 1. November in das dann frei gewordene Büro von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einziehen? Vom 13. Stock des Brüsseler Berlaymont-Gebäudes aus gilt es, Europas Zukunftsstrategien festzulegen.

„Der Kommissionspräsident ist ein unmöglicher Job, weil man nur Zwänge und kaum Gestaltungsspielraum hat“, sagte einmal ein früherer Kommissionspräsident. Und doch herrscht massives Gerangel um den wichtigsten Job in der EU – und alle Regierungen der Union wollen mitbestimmen.

Die besten Chancen auf den Präsidentenposten hat der Niederbayer Manfred Weber. Der 46-jährige Fraktionschef der Europäischen Volkspartei geht heute als EVP-Spitzenkandidat in die Wahlen. Dass er im Falle eines Sieges automatisch Junckers Erbe antreten kann, steht allerdings längst nicht fest. Er braucht die Mehrheit der 751 EU-Abgeordneten, muss also mit mindestens zwei weiteren Parteien im Parlament eine Allianz schmieden.

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Und das Schwierigste: Weber benötigt auch die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der EU-Staats- und Regierungschefs. Die ist dem Parteifreund von Kanzler Sebastian Kurz, der ihn bisher nach allen Kräften unterstützt hat, jedoch alles andere als sicher.

Vor allem Frankreichs Staatschef Emanuel Macron legt sich quer. Nicht gegen die Person Manfred Webers, sondern gegen das System der Spitzenkandidaten. Dieses hat das EU-Parlament erfunden, und dem beugen sich die mächtigen Staats- und Regierungschefs, wenn überhaupt, nur zähneknirschend.

Die ersten Weichen

Dienstag Abend, bei einem EU-Sondergipfel in Brüssel könnten die ersten Weichen gestellt werden. Denn zu vergeben sind auch die Chefposten für den Europäischen Rat (derzeitiger Präsident Donald Tusk); für die Europäische Zentralbank (Mario Draghi); für das Europäische Parlament (Antonio Tajani) und für das Amt der EU-Außenbeauftragten (Federica Mogherini). „Geschacher und Küngelei hinter verschlossenen Türen“ könnten Kritiker es nennen. Andere sehen es als ein mühsames Austarieren gleichmäßig zu verteilender Macht. Ost- und Westeuropa müssen gleichsam bedacht werden, Männer und Frauen, die Parteienfamilien, große und kleine Länder.

Weber oder Weidmann

Und vor allem: Es kann nur einen Deutschen an der Spitze der fünf wichtigsten EU-Jobs geben. Kommt etwa Weber in der EU-Kommission zum Zug, fällt Bundesbank-Präsident Jens Weidmann als möglicher Nachfolger für Mario Draghi aus.

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Um den Chefposten in der Europäischen Zentralbank (EZB) tobt derzeit eine besonders heiße Postenschlacht. Wer hier zum Chef aufsteigt, bestimmt die europäische Geldpolitik. Und die würde jeweils anders aussehen, wenn der Deutsche Weidmann oder der Franzose Francois Villeroy de Galhau

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oder der Finne Olli Rehn zum Präsident der EZB gekürt wird: Der 60-jährige Villeroy de Galhau etwa, derzeit Gouverneur der Banque de France, würde den derzeitigen Kurs der Niedrigzinsen wohl weiter führen.

Anders Weidmann: Der Vertraute von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel, würde darauf drängen, von der Nullzinsenpolitik möglichst bald abzukehren.

Und da wäre noch der Präsidentenposten im Europäischen Rat, also im Club der europäischen Staats- und Regierungschefs. Amtsinhaber Donald Tusk wird Ende November ausscheiden. Als möglicher Nachfolger wird immer wieder der Name des liberalen niederländischen Premiers Mark Rutte genannt. Der dementiert allerdings beharrlich. Auch jener der Präsidentin Litauens fällt häufig. Für Dalia Grybauskaite spricht: Sie vertritt Nordosteuropa, sie ist eine Frau und nimmt sich gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kein Blatt vor den Mund.

Bereits im Juli wählt das neue EU-Parlament bei seiner konstituierenden Sitzung seinen neuen Präsidenten – oder seine Präsidentin. Und besonders große Hoffnungen auf das Amt macht sich Mairead McGuiness.

Die langjährige Vize-Parlaments-Präsidentin aus Irland gehört der Parteienfamilie der EVP an. Ernsthafte Konkurrenz hat sie allerdings in der Person des wortgewaltigen Guy Verhofstadt. Der frühere liberale Premier Belgiens hat allerdings wiederum eine Reihe sehr entschlossener Gegner. Mit heftigen Attacken und Provokationen verprellte Verhofstadt bereits viele politische Lager aus vielen EU-Staaten.

Und auch das Amt des EU-Außenbeauftragten gibt es noch zu vergeben, derzeit hat es die Italienerin Federica Mogherini inne. Rasend beliebt ist es nicht – denn Außenpolitik macht nicht der oder die Quasi-Außenminister(in), sondern der EU-Ministerrat. Frans Timmermans’ Name soll in diesem Zusammenhang schon gefallen sein.

Doch der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten, der am Donnerstag bei der EU-Wahl in den Niederlanden einen überraschenden Sieg einfuhr, winkt ab: „Ich habe nur einen Plan A. Und der ist es, Kommissionspräsident zu werden.“

Und Österreich? Kein einziger heimischer Kandidat fährt im Postenkarussel um die wichtigsten fünf Spitzenjobs in der Europäischen Union mit.