Politik/Ausland

Georgien: Kein Weg nach Hause

Die alte Heimat ist auf der anderen Seite des Tals beinahe in Sichtweite. 100 Häuser, Standardmaße, zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, Küche – das ist die Siedlung Akhalsopeli nicht weit von Gori. Eine wie so viele in Georgien, die für Flüchtlinge des Krieges von 2008 errichtet wurden.

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Khatuna Kotuashvili hat hier einen Greißlerladen. Sie verkauft Konservendosen, Cracker und Zigaretten durch ein Fenster eines angebauten Raumes. Sie backt Torten. Und sie hat einen Plan: Wenn sie genug Geld beisammen hat, will sie noch ein weiteres Mal anbauen und auch Kleidungsstücke verkaufen. Denn eines ist, wie sie mit einem alles sagenden schweigenden Kopfschütteln sagt, klar: Ein Zurück in die alte Heimat gibt es nicht. Nachdem Khatuna und ihre Familie gegangen waren, ging das Dorf, in dem sie ihr gesamtes früheres Leben verbracht hatte, in dem ihre Familie, ihre Freunde lebten, in Flammen auf. Mit dem, was sie tragen konnte, kam sie nach Akhalsopeli.

30.000 Menschen hat der Krieg von 2008 zwischen Russland und Südossetien auf der einen Seite und Georgien auf der anderen Seite in die Flucht geschlagen. Untergekommen sind sie in Siedlungen wie Akhalsopeli, die die georgische Regierung errichtet hat. Zum Teil wurden sie an bestehende Dörfer angebaut, zum Teil stehen sie frei. Manche haben eigene Schulen, manche nicht. Vom Staat erhalten die Flüchtlinge eine bescheidene Sozialhilfe. Haus und Grund reichen kaum zur Selbstversorgung.

Khatuna schneidet eine kunstvoll verzierte Torte für die Gäste aus dem Ausland an, ihr kleiner Sohn brüllt nach ihr. Ein Kunde ist gekommen, um Zigaretten zu holen. Ein Nachbar, ein anderes Schicksal der Vertreibung. Aus Khatunas altem Dorf sind nur vier Familien in dieser Siedlung untergekommen.

Österreich hilft

Bei der Gründung ihres Ladens wurde Khatuna von der ADA, der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, unterstützt. Diese hilft im Rahmen zahlreicher Projekte Frauen mit drei oder mehr Kindern und da vor allem Alleinstehenden. Khatunas Mann ist Bauarbeiter, derzeit ohne Arbeit. Für den Erhalt der Familie kommt sie praktisch alleine auf.

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Für Khatuna war sehr schnell klar, dass es ein Zurück nicht geben wird, dass Akhalsopeli die Zukunft wird sein müssen und ihr altes Dorf in Südossetien der Vergangenheit angehört. Sie hat sich mit der Situation arrangiert. Für viele aber ist die Hoffnung auf eine Heimkehr längst nicht tot, mit der Folge, das sich viele Flüchtlinge aus Südossetien in den Reißbrettdörfern der Regierung nicht auf Dauer einrichten wollen – seit mittlerweile sechs Jahren. Dass das Provisorium zu einer Dauerlösung werden wird müssen, hat die Regierung in Tiflis praktisch anerkannt: Die Häuser samt einem kleinen Stück Land wurden den Flüchtlingsfamilien inzwischen ins Eigentum übergeben.

"Es hat schon Probleme gegeben", berichtet Lia, eine junge Frau, die in der Hauptstadt Tiflis gerade ein kleines Unternehmen gegründet hat. Sie meint die Probleme, die eine Massenmigration innerhalb eines Landes mit sich bringt – Feindseligkeiten der alteingesessenen Bevölkerung den Zuziehenden gegenüber, Neid wegen der an sie ausgezahlten Sozialhilfe und so weiter. Lia stammt aus Abchasien, ist aber schon im Zuge der Kriege der 90er-Jahre mit ihrer Familie geflohen. Damals ein Kind, heute eine junge Frau Ende 20 hat sie nie an eine Rückkehr geglaubt. Zwischen dem damaligen Leben, so sagt sie, und der Gegenwart liege so etwas wie ein Stacheldrahtzaun mit Minenfeldern. Die Kindheit als fremd erscheinender Körperteil, die Schauplätze derselben unerreichbar hinter einer irregulären Binnengrenze. Khatunas kleiner Sohn geht im nahen Dorf zur Schule. Auch sie berichtet von Feindseligkeiten. "Das war ihr Land, bis wir gekommen sind, ihre Felder", sagt sie. "Jetzt sind wir hier." Natürlich schüre das Unmut. Aber der hätte sich großteils gelegt. Sie sagt: "Wir haben die selben Probleme hier, Arbeitslosigkeit gibt es dort wie da." Aus dem kleinen Raum neben der Küche, dem Laden, dröhnt ein lautes "Maaamaaa". Khatunas Sohn, der einen weiteren Kunden meldet.