Politik/Ausland

Hahn will aktivere EU und Veto abschaffen

Entgegen allen Gerüchten ist es so gut wie sicher, dass Johannes Hahn für eine zweite Amtszeit als EU-Kommissar von der Bundesregierung nominiert wird. Das bestätigen mehrere hochrangige Quellen. Offiziell wird die Bestellung nach der EU-Wahl erfolgen. Hahn dürfte auch ein wichtiges Ressort bekommen: Binnenmarkt oder Wettbewerb werden genannt. Im KURIER-Gespräch zieht er Bilanz und gibt einen Ausblick: Von der neuen Kommission erwartet er sich eine Stärkung der Außenpolitik und das Ende der Einstimmigkeit bei außenpolitischen Beschlüssen. Das wäre das Ende der Veto-Keule.

KURIER: Herr Hahn, was bleibt von der Barroso-Kommission?

Johannes Hahn: Die Kommission hat es sehr gut geschafft, Europa durch die Wirtschaftskrise zu steuern. Wir haben nicht nur den Brand gelöscht, sondern Schutzmechanismen gegen künftige Krisen entwickelt: mehr koordinierte Wirtschaftspolitik und verstärkte Budget-Kontrollen. Das hätte man bei der Einführung des Euro machen müssen, damals war das nicht möglich.

Die Maßnahmen werden kritisiert, der Rettungsschirm ist nicht Teil des EU-Vertrages.

Die zwischenstaatlichen Regelungen waren die einzige Möglichkeit, schnell zu reagieren. Das wird man sanieren und in einen Vertrag überführen. Ich hätte mir im EU-Wahlkampf eine Debatte erwartet, was gemeinschaftlich geregelt werden sollte für eine Weiterentwicklung der EU. Was bleibt von Ihrer Amtszeit?

Wir haben die Regionalpolitik fundamental reformiert. Die EU hat erstmals ein finanzielles Instrument in der Hand, um EU-Ziele flächendeckend in allen Ländern zu verfolgen. Alle Regionen Europas werden in der neuen Finanzperiode Mittel erhalten. Entscheidend war, die traditionelle Politik, die Förderung der schwächer entwickelten Regionen, zu einer umfassenden Wirtschaftsförderung weiterzuentwickeln: Investitionen in die Realwirtschaft und die Energiepolitik sollen gefördert werden. Bis 2020 werden mindestens 30 Milliarden Euro in alternative Energie investiert.

Die Ukraine-Krise zeigt, dass die EU-Außenpolitik gescheitert ist. Wie geht es jetzt weiter?

In der neuen Periode wird es sicher zur Weiterentwicklung der Außenpolitik kommen. Das strikte Einstimmigkeitsprinzip ist auf Dauer nicht mehr tragbar, um international agieren zu können. Die EU ist durch die Entwicklungen in der Ukraine, im Nahen und Mittleren Osten sowie durch die Neuorientierung der USA gefordert und muss wesentlich aktiver in Erscheinung treten.

Soll die EU bis Juni, so der Plan, die Assoziationsverträge mit Georgien und Moldau unterschreiben. Ist das nicht zu früh?

Gerade hier muss Europa Linie bewahren. 1989 ist noch nicht vollendet. Ich mache mir Sorgen – 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wird wieder ein Eiserner Vorhang in den Köpfen hochgezogen.

Wird damit nicht die Krise mit Russland weiter angeheizt?

Man muss die Sensibilitäten in diesem Raum berücksichtigen. Hier sollte sich die EU auf die verstärkte wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit konzentrieren. Man muss Russland sagen, dass man nicht einen Schritt zurückgehen kann.

Juncker und Schulz wollen in den nächsten fünf Jahren keine Erweiterung. Sollen die Balkan-Länder länger warten?

Man muss weiter daran arbeiten. Wir haben Lehren gezogen, jetzt werden Kapitel wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie am Beginn verhandelt. Qualität geht vor Schnelligkeit.

Sollte die EU rasch harte Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland beschließen?

Man muss die Ukraine-Wahlen abwarten. Die EU setzt weiterhin auf Verhandlungen, das ist der richtige Weg. Die Krise beschleunigt, dass sich Europa um Energie-Unabhängigkeit bemühen muss. Die Strategie ist, die Lieferanten-Vielfalt von Ländern und Rohstoffen zu steigern. Damit fällt das Preisdiktat Russlands weg.

Wird es einen Abschluss der Verhandlungen EU-USA über einen Freihandel geben?

Europa muss hier selbstbewusst auftreten. Wir sind der größte Markt. Ich sehe kein schnelles Ende der Verhandlungen. Es gibt viele Sensibilitäten, wir müssen daher gut über den Inhalt der Verhandlungen informieren.

Hahns Polit-KarriereGeboren

2.12.1957 in Wien; Studium der Philosophie. Promotion 1987.

Laufbahn Hahn startete 1980 in der JVP; diverse ÖVP-Funktionen in Wien. 1997–2003 war er im Vorstand der Novomatic AG, zuletzt Vorstandsvorsitzender. 2003- 2006 Stadtrat in Wien; 2004 ÖVP-Obmann. 2007 bis Jänner 2010 war er Bundesminister für Wissenschaft und Forschung.
Seit Februar 2010 ist er EU-Kommissar für Regionalpolitik.

Privat Verheiratet, 1 Sohn. Hobby: Segeln