Der Opfergang des französischen Gendarmen
Von Danny Leder
„Held“ und „Tod für das Vaterland“ – mit diesen Begriffen wird der Opfergang von Arnaud Beltrame gewürdigt. Aber letztlich spüren viele Menschen in Frankreich, dass sich die einsame Entscheidung des 44-jährigen Gendarmerie-Oberst auch diesen wohl gemeinten Worten entzieht.
Als Beltrame am Freitag mit seiner Einsatzgruppe am Rande der südfranzösischen Ortschaft Trèbes vor dem Supermarkt, in der sich ein Dschihadist verschanzt hatte, Stellung bezog, traf er eine Entscheidung, die in keinem Prozedere der Sicherheitskräfte vorgesehen ist: Er ließ sich gegen eine Geisel austauschen und begab sich damit freiwillig in die Gewalt des Attentäters. Dieser hatte zu diesem Zeitpunkt schon auf dutzende Personen gefeuert, drei waren bereits tot. Außerdem stand fest, dass es sich bei dem Geiselnehmer um den 25-jährigen Franko-Marokkaner Radouane Lakdim handelte, einen bekennenden Anhänger des Terrorgebildes „Islamischer Staat“. Deren Attentäter haben sich bisher noch nie zum Aufgeben überreden lassen. Sie sind überzeugte Kamikaze, die den Tod suchen.
Das wusste der bestens geschulte Beltrame nur zu gut. Der hoch dekorierte Offizier befand sich 2003 unter den sieben von 80 Bewerbern, die die Sondereinheit GIGN (entspricht in Österreich dem Einsatzkommando Cobra) aufnahm. Er war im Sicherheitsstab des Elysée-Palasts tätig. 2014 wurde er Berater des Umweltministeriums. Er war mit dem Kampf gegen organisierte Umweltverbrechen beauftragt.
Dass er sich von diesem Pariser Amt aus für eine Rückversetzung an die Gendarmerie-Basis in die südfranzösische Kleinstadt Carcassonne bewarb, hängt damit zusammen, dass er in der Gegend die Tierärztin Marielle kennengelernt hatte.
Beginn des Terrors
Carcassone liegt nur eine Autostunde von Toulouse entfernt, wo 2012 die Terrorwelle begann: Dort erschoss der Al Kaida-Anhänger Mohamed Merah drei – muslimische – Soldaten und in einer jüdischen Schule drei Kinder und einen Lehrer.
Merah starb im Feuergefecht, aber einer seiner Brüder wurde erst im Vorjahr als Komplize verurteilt. Bei dem spektakulären Prozess standen sich Muslime, die die Demokratie verteidigen (die Staatsanwältin, Hinterbliebene der Soldaten aber auch Verwandte von Merah), und die angeklagten Dschihadisten gegenüber. Dabei wurde auch deutlich, dass sich Mohamed Merah in einem ganzen Umfeld an radikal-islamistischen Aktivisten bewegte. Diese haben in der Gegend Teile der Jugendlichen aus muslimischen Familien und Konvertiten in ihren Bann gezogen.
Es ist auch ein seltsamer Zufall, dass Arnaud Beltrame erst im vergangenen Dezember in Carcassone eine Übung leitete, bei der es um eine Geiselbefreiung während eines Terroranschlags auf einen Supermarkt ging.
Hochzeits-Sakrament
Beltrame, der seine Marielle standesamtlich geheiratet hatte, bereitete sich auf eine kirchliche Hochzeitszeremonie vor. Dabei wurde das Paar von einem Pater begleitet. Dieser stand an Beltrames Sterbebett und sagte: „Ich habe ihm das Sakrament der Hochzeit gegeben“.
Im Gegensatz zu seinem fanatischen Mörder hatte der Gendarm das Leben bejaht – und sich trotzdem für eine ihm völlig unbekannte Person dem quasi sicheren Tod ausgeliefert.