Politik/Ausland

Schröder: Siebzig und kein bisschen weise

Kopfschütteln hatte Gerhard Schröder ausgelöst, als er sich 2005 direkt nach seiner Abwahl bei "Gazprom" verdingte, dem staatlichen Gasexporteur Russlands und wichtigster Geldkuh von dessen Dauer-Präsidenten. Nun wird daraus eine Schüttellähmung, nicht nur in Berlin.

Montag Abend feierte Schröder in einem Palais der alten russischen Hauptstadt seinen 70. Geburtstag nach, deren wichtigster Sohn persönlich kam: Wladimir Putin, der nun als der rücksichtsloseste und gefährlichste Mann für den Weltfrieden seit dem Ende des Kalten Krieges gilt, wurde vom Altkanzler herzlich umarmt.

Es war Zeichen einer besonderen Männerfreundschaft. Die sich auch materiell auszahlt: Als Chef der Aktionärsversammlung von "Nord Stream" kassiert der deutsche Sozialdemokrat jährlich 250.000 Euro. Die Gazprom-Tochter mit deutscher Beteiligung ist Erbauer und Betreiber der größten Erdgasleitung von Russland nach Deutschland durch die Ostsee. Sie erhöht die Energie-Abhängigkeit Deutschlands von Russland weiter, das mehr als ein Drittel seines Gases und Öls liefert.

Doch Befürchtungen von Erpressbarkeit durch Putin hat Schröder immer entschieden geleugnet. Legendär ist sein Lob des "lupenreinen Demokraten". Und sogar dessen Besetzung der Krim relativierte Schröder: Auch er habe Völkerrecht brechen müssen, als er die deutsche Beteiligung am NATO-Angriff auf Serbien genehmigte. Die aber dessen Völkermord im Kosovo stoppte.

"Nicht hilfreich"

"Völlig unverantwortlich", nannte der CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff Schröder: "Putin versucht, die EU, die andere Kontakte absagt, auseinanderzudividieren, diese Bilder spielen seiner Propaganda in die Hände." Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder, ein enger Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel, fand "dies nicht hilfreich". Ihr Sprecher dementierte, dass Schröder als Vermittler agieren könnte: "Es gibt keinerlei Auftrag aus der Bundesregierung." Damit schloss er SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier ein, einst Schröders engster Mitarbeiter.

Der steht intern in der Kritik wegen der Entsendung der OSZE-Militärmission mit starker deutscher Beteiligung in die Ukraine, die von Separatisten festgehalten wird. Steinmeier, sonst oft redselig, äußerte sich nicht zu Schröder. Nur die SPD verteidigt ihn: Fraktionschef Thomas Oppermann "wusste zwar nicht, was geredet wurde", war "sich aber ganz sicher, dass Schröder Putin vieles klargemacht hat".

Gazprom, das auch dieses Fest Schröders gesponsert hat, befürchtet nun öffentlich "Absatz- und Gewinneinbrüche durch die Krise", vor allem, wenn die Ukraine die Durchleitung des Gases in die EU erneut behindere. 2013 machten die EU- Gasimporte im Wert von 34 Milliarden Euro gut die Hälfte des Gazprom-Umsatzes aus. Auch könnte dessen Aktienkurs durch westliche Sanktionen gedrückt werden, so die nun besorgten Gazprom-Chefs.

Putin und Schröder: Eine lange Freundschaft

Viktor Juschtschenko warnt die EU, dass sich aus einer zu weichen Haltung gegenüber Russland rasch ein Krieg entwickeln könnte: "Wenn Europa nicht sehr bald eine einheitliche Position und harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschließt, wird Putin glauben, dass er tun kann, was er will", sagt Juschtschenko im Gespräch mit dem KURIER.

Der ukrainische Ex-Präsident, der nach der Orangen Revolution 2004 regierte, war am Dienstag auf Einladung von Henri Malosse, Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, in Brüssel. Er appellierte bei seinem Besuch an die EU-Staaten, nicht aus Sorge vor wirtschaftlichen Konsequenzen zu lange mit der nächsten Phase der Sanktionen zu warten: "Ich bin sehr besorgt, dass manche Regierungschefs in der EU sagen, Handelssanktionen soll es erst geben, wenn Russland die Situation weiter eskaliert. Das hieße, dass einige Länder die Aggressionen und Verbrechen, die Russland jetzt schon in der Ukraine begangen hat, akzeptieren."

Präsident Putin habe mit seinem "neo-imperialistischen" Vorgehen in den letzten Monaten "die Weltordnung, die uns nach Ende des Zweiten Weltkriegs Jahrzehnte in Frieden leben hat lassen, in Gefahr gebracht", sagt Juschtschenko. "Es spielt auch keine Rolle, ob jetzt 1000 oder 10.000 russische Soldaten in der Ukraine sind. Das Handeln des Kremls sollte als das behandelt werden, was es ist: Eine Verletzung der Weltordnung und internationaler Abkommen."

Richtungsentscheidung

Für Juschtschenko ist das Motiv des russischen Präsidenten klar: "Putin hat den Zerfall der Sowjetunion als die größte Tragödie des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Deswegen will er jetzt die Sowjetunion in anderer Form wieder aufleben lassen und die Ukraine mit Gewalt in die Eurasische Union zwingen. Ohne sie funktioniert diese Union nicht, und das wäre eine Niederlage für Putin."

Juschtschenko rät den EU-Spitzen, die Ukraine für die nächsten Jahre zu ihrer außenpolitischen Top-Priorität zu machen: "Die Frage ist, wo wird die Ukraine in zwei oder fünf Jahren sein? Wird sie europäische Werte und Demokratie umsetzen und damit Europa stärken – oder wird sie mit Gewalt gezwungen, Teil von Putins mittelalterlicher Politik zu sein?"