Politik/Ausland

Gaucks Sotchi-Boykott macht Schule

Viviane Reding, Stellvertreterin von Kommissions-Chef Barroso, fährt nicht zu den Olympischen Winterspielen ins russische Sotschi. Das hatte zwar niemand erwartet, denn sie ist weder für Sport zuständig noch als Wintersport-Fan ihrer darin unbedeutenden Heimat bekannt. Die Luxemburger Konservative ist aber Kommissarin für Justiz und Bürgerrechte, und die hat Bundespräsident Joachim Gauck beeindruckt.

Auch sie fahre „sicherlich nicht hin“, twitterte Reding, „solange Minderheiten so behandelt werden.“ Ob sie Homosexuelle meinte oder die Opposition und ihre verfolgten Protestgruppen, machte ihre Kurznachricht nicht klar.

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In Berlin fühlt sich aber die politische Klasse bestätigt. Dass Gauck im Februar nicht an die Krim fährt, ist zwar ebenfalls nichts Besonderes, denn auch sein Vorgänger Horst Köhler war 2010 nicht im kanadischen Vancouver: Mit Wintersport lässt sich in Deutschland außerhalb Bayerns kaum Popularität erheischen.

Besonders ist aber, dass Gaucks bewusstes Fernbleiben im Prestige-Zirkus des russischen Präsidenten die Medien erreichte. Die Meldung des Spiegel bestätigte Gaucks Büro mit der Bemerkung, es handle sich aber „nicht um einen Boykott“.

Was nun erst recht so aussieht: Gauck war schon in exotischeren Ländern als dem mächtigen Ost-Partner und einstigen DDR-Paten.

Menschenrechtler und Grüne loben ihn dafür, drängen ihn aber auch, die Begründung klar auszusprechen. Ob nun auch die Medien ihre Enttäuschung über Gaucks bisher betuliche Amtsführung ablegen, ist schwer absehbar: Sollte die Resonanz auf seine Absage noch größer werden, darf er mit ihrem Lob rechnen.

Kanzleramt informiert

Obwohl in Berlin klar ist, dass auch diese Entscheidung des Bundespräsidenten mit dem Kanzleramt abgestimmt ist: Die Verfassung erlaubt ihm keine eigene Außenpolitik. Dezente Hinweise aber sind sein Geschäft.

Und auch Gaucks persönliche Abneigung gegen Russen ist bekannt: Als DDR-Bürgerrechtler war ihm die Besatzungsmacht suspekt, sein Vater schmachtete jahrelang in sibirischen Arbeitslagern.

Von Putin, einst UdSSR-Geheimdienstchef in Dresden, gibt es keine Reaktion.

Auch nicht von Österreichs Bundespräsidenten Heinz Fischer. Er hat nach Auskunft an den KURIER „noch nicht entschieden“, ob er nach Sotschi fährt. Auch wenn für ihn Wintersport amtsmäßig sicher wichtiger ist als für Gauck und Reding.