Bier und Brez’n für die gute Beziehung
Von Evelyn Peternel
Grüß Gott!" Barack Obama weiß, wie man die Zuschauer unterhält. Als der US-Präsident am Sonntag das Podium im bayerischen Örtchen Krün betritt, sind die Damen und Herren in Dirndl und Lederhose begeistert. Angela Merkel, die Gastgeberin des Treffens der wichtigsten sieben Industrienationen, hat ihn dorthin zur Brotzeit eingeladen – sie steht neben ihm und lächelt angetan. Obama setzt fort: "Ich habe meine Lederhose vergessen." Applaus und Juchizer aus dem Publikum folgen.
Der Auftakt zum G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern war gut inszeniert, Brisantes kam in den Reden der beiden Staatenlenker kaum vor. Man beschwor die Freundschaft, die die USA und Deutschland verbindet – "das stärkste Bündnis, das die Welt je gekannt hat", wie Obama sagte. Die Differenzen der letzten Zeit – Stichwort NSA/BND-Datenaffäre – hat man großräumig ausgeklammert. Nur einmal nahm Merkel das Wörtchen "Meinungsverschiedenheiten" in den Mund.
Vermächtnis
Für beide war dieses Schauspiel vor der perfekten bayerischen Bergkulisse wichtig: Obama, der auf Schloss Elmau seinen vorletzen Gipfel absolviert, feilt an seiner außenpolitischen "Legacy" – dem Vermächtnis seiner Amtszeit, die in eineinhalb Jahren endet. Und Merkel braucht seine Unterstützung, um ihre Rolle als führende EU-Politikerin in Krisenfragen zu festigen – nicht umsonst heißt es in Washington, dass der US-Präsident immer erst Berlin anruft, wenn er sich in globaler Krisenpolitik akkordieren will.
Nach der Brotzeit mit Weißwurst, Brez’n und alkoholfreiem Weizenbier ging es dann im Vier-Augen-Gespräch durchaus um Relevantes. Die Ukraine-Krise, das Fehlen Russlands im Kreis der G7 und das geplante Freihandelsabkommen TTIP standen auf der Agenda des nicht öffentlichen Gesprächs. Danach folgten die Arbeitssitzungen mit den anderen Staats- und Regierungschefs, die die Weltwirtschaft und soziale Standards zum Thema hatten.
"Freund Alexis"
Auch ein anderes Krisenthema beherrschte den Gipfel – obwohl es nicht auf der Agenda stand: die Schuldenkrise in Griechenland. EU-Kommissionspräsident Juncker fand deutliche Worte für seinen "Freund Alexis" (den griechischen Premier Alexis Tsipras) – er forderte die Vorlage eines Alternativpapiers zur Lösungder Krise von ihm. Auch Obama machte Druck: Er hoffe auf eine "marktschonende Griechenland-Einigung". Weiterverhandelt wird am Mittwoch in Brüssel, gemeinsam mit Angela Merkel.
Die bayerischen Trachtenvereine und Gebirgsjäger, die am Sonntag auf dem Rollfeld des Münchner Flughafens Spalier für den US-Präsidenten standen, waren im Vergleich zu Barack Obamas eigenem Tross eine kleine Schar: Der US-Präsident reist bei Staatsbesuchen immer mit einer Entourage von etwa 1000 Personen an – allein die Hälfte davon ist schwer bewaffnet. CIA-Agenten, ein Spezialkommando für Krisenfälle, ein eigens für ihn bereitgestelltes Ärzte- und OP-Team samt jenem Arzt, der auch seine Frau und die beiden Töchter betreut.
Dazu kommen zehn persönliche Wachmänner, die den US-Präsidenten bei jedem Schritt im Auge haben. Sie sitzen auch in der Air Force One , der Präsidenten-Maschine, und in den drei "Marine One"-Hubschraubern, die von den USA nach München verfrachtet und dort extra für den Gipfel zusammengebaut wurden.
Dazu kommen Barack Obamas Limousinen zum Einsatz: 45 Stück davon wurden auf Militärschiffen über den Atlantik geschickt. Die gerne als "Beasts" genannten Chevrolets wiegen jeweils acht Tonnen und sind mit Pumpguns, Tränengas-Granaten und sogar Blutkonserven ausgerüstet.
200 Mio. Dollar pro Tag
Der finanzielle Aufwand, den das Weiße Haus bei solchen Auslandsreisen betreibt, ist nicht öffentlich. Spekuliert wird aber, dass die Kosten bis zu 200 Millionen Dollar betragen – pro Tag.
Vor dem Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen liegen am Sonntag Schuhe, Socken und Jacken zum Trocknen in der Morgensonne. In der Nacht zuvor hatten schwere Regenfälle das Protestcamp der Gipfelgegner unter Wasser gesetzt. Die sehen nun müde und abgekämpft aus.
Trotzdem haben sich einige Hundert G7-Kritiker versammelt. Sie möchten von hier aus so nah wie möglich an den Tagungsort heranmarschieren. "Wir wollen unsere Erfrischungsgetränke auf Schloss Elmau einnehmen", ruft einer der Organisatoren den Teilnehmern zu.
Mit Parolen zieht das Demo-Volk durch den Ort. Einheimische verfolgen das Spektakel am Straßenrand. Hannes Biehler erhält lauten Applaus von den Vorbeiziehenden. Er hat sich mit einem Schild an seinen Gartenzaun gestellt, das ihn als Gegner des Freihandelsabkommens TTIP outet. Mitmarschieren will er nicht. "Ich habe Angst vor Gewalttätigkeiten", sagt der Nebenerwerbsbauer und Zimmerwirt zum KURIER.
Am Samstagabend waren, wie berichtet, bei einer zuvor über Stunden friedlich verlaufenen Großdemonstration in dem Bergdorf Polizei und G7-Gegner aneinandergeraten. Beide wiesen einander danach die Schuld an der Eskalation zu und sprachen jeweils von Verletzten in ihren Reihen.
Gerangel bei Protesten
Kaum Polizeipräsenz gibt es hingegen bei dem sonntäglichen Marsch der Globalisierungs- und Kapitalismuskritiker. Vorne weg läuft ein Beamter, der beinahe wie ein uniformierter Bergführer wirkt. Die Demonstranten werden indes immer ruhiger, je steiler der Weg wird.
Gewitterwarnung
In einem kleinen Weiler machen sie erschöpft Pause. Fred Keller von der Bergwacht, die Wasser ausgibt, warnt die "autonome Wandergruppe" eindringlich vor dem, was noch kommt. "Es wird noch steiler. Bitte behaltet auch den Himmel im Auge. Für den Nachmittag sind wieder Gewitter gemeldet."
Die Gruppe geht weiter. Durchgängiges Rotorenrattern ist ständiger Begleiter an diesem Tag. In einem der Helikopter fliegt auch Obama ein. Als er mit Angela Merkel und Einheimischen Weißwurst isst (siehe oben), hat der Protest-Trupp gerade einmal ein Drittel des Weges hinter sich. Stunden später werden die Wanderer den Zaun erreichen, der Schloss Elmau auf einer Länge von 16 Kilometern abschirmt.
Im Tal blockieren Gesinnungsgenossen immer wieder die Straße, die zum Gipfelort führt. "Wir setzten kleine Nadelstiche", sagt einer der Bündnissprecher. Mehr scheint auch nicht möglich.