Politik/Ausland

Funkstille zwischen Athen und Troika ist beendet

Sie reden wieder miteinander: Mittwoch Nachmittag wurden die Gespräche zwischen Vertretern der griechischen Regierung und Vertretern der Geldgeber, also EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, wieder aufgenommen. An einem neuen Ort zwar (in Brüssel statt wie gewohnt in Athen) und mit neuem Türschild (statt mit der verhassten "Troika" verhandelt Griechenland jetzt mit "den Institutionen"), doch mit unverändertem Ziel: Einen Reformplan für Griechenland zu erstellen, an dessen Erfüllung die Auszahlung weiterer Hilfsgelder gekoppelt ist.

Verzögerung

Seit Ende Jänner, als die Gespräche wegen der Neuwahlen in Griechenland unterbrochen wurden, herrschte Funkstille. Jetzt muss es umso schneller gehen: Damit Athen die nächste Tranche an Geldern erhalten kann, soll die nächste Überprüfung der Reformschritte Ende April abgeschlossen sein – spätestens. Gibt es rasch Einigung über ein Gesamtpaket, könnte die Eurozone die noch verfügbaren Gelder aus dem bis Ende Juni verlängerten Hilfsprogramm auch in Raten aufteilen – und die erste Überweisung vor Ende April stattfinden, um Athens akute Finanznot zu lindern.

In Verhandlerkreisen hieß es am Mittwoch, die "technischen Gespräche" in Brüssel sollen in ein oder zwei Tagen abgeschlossen sein. Erstes Etappenziel sei es, ein Arbeitsprogramm und einen Zeitplan zu erstellen. Außerdem soll die griechische Regierung das vorlegen, worauf die Geldgeber seit Wochen warten: Detaillierte Zahlen über die aktuelle Haushaltslage und konkrete Prognosen, wie sich die geplanten Reformen auf das Budget auswirken sollen. Um die notwendigen Daten zu sammeln, sollen ab Donnerstag auch wieder Experten nach Athen reisen.

Entspannung

Viel Spielraum hat Griechenland momentan offenbar nicht mehr: Laut Finanzminister Yanis Varoufakis reicht das Geld in der Staatskasse derzeit zwar noch, um Löhne und Pensionen aller Beamten zu zahlen. "Was den Rest betrifft", so Varoufakis, "werden wir sehen."

Doch so bedrohlich die Lage kurzfristig auch wirkt: Vorausgesetzt, Athen kommt mit Hilfe der Eurozone über die nächsten paar Monate, ist danach Entspannung in Sicht. Oder, wie es Thomas Wieser, Chef der Brüsseler Euro-Arbeitsgruppe, in der ZiB 2 ausdrückte: "Griechenland hat eines der angenehmsten Zahlungsprofile, die ein Industriestaat haben kann." Ab Herbst stehen keine großen Rückzahlungen mehr ins Haus. Fünf Jahre lang müssen dann von den Milliarden-Hilfskrediten praktisch nicht einmal mehr Zinsen zurückbezahlt werden. "Insofern ist die Bedienbarkeit der griechischen Staatsschulden leicht herstellbar", sagte Wieser.

Vorher warten allerdings noch große Brocken: Allein im März muss Griechenland in drei Tranchen insgesamt 1,2 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Im Juli und im August werden Staatsanleihen in Höhe von 3,5 bzw. 3,2 Milliarden fällig, die von der EZB gehalten werden. Und dann muss Athen immer wieder kurzfristige Anleihen in Milliarden-Höhe "weiterrollen", sprich: Neue sogenannte "T-Bills" aufnehmen, um alte zu bedienen. Noch klappt das ganz gut: Am Mittwoch besorgten sich die Griechen über Schuldtitel mit dreimonatiger Laufzeit 1,3 Milliarden an frischem Kapital.

Griechenland macht gegenüber seinen Rettern aus EU und IWF eine neue Front auf: Mit Riesen-Drohungen will Athen Deutschland zum Ablassen von den verhassten Bedingungen für die gigantische Hilfsaktionen zwingen. Ministerpräsident Alexis Tsipras und dessen Syriza-Partei stilisieren seit Langem Berlin zum Bösewicht der Rettungs-Troika. Zuletzt hatten Athener Minister mit dem Weiterschicken von 300.000 in Griechenland gestrandeten EU-Immigranten inklusive verborgener islamistischer Terroristen gedroht.

Nun soll Deutschland neue Reparationen für seine Besetzung Griechenlands und deren Gräuel vor 70 Jahren leisten. Sollte es die weiter verweigern, würde Athen deutsches Eigentum in Griechenland beschlagnahmen lassen, kündigte Justizminister Nikos Paraskevopoulos (Syriza) im Parlament an. In dessen Debatte hatte Tsipras die Forderungen Athens begründet.

Die beliefen sich bisher auf elf Milliarden Euro, hochgerechnet aus einem Zwangskredit von 470 Millionen Reichsmark, den Nazi-Deutschland einst dem von ihm besetzten Griechenland abgepresst hatte. Schon vor der Debatte veröffentlichte allerdings eine Athener Zeitung ein "Geheimpapier" der Tsipras-Regierung, in dem "Experten" die Reparationszahlungen auf bis zu 332 Milliarden Euro schraubten. Das sei der heutige Gegenwert der Kompensationen für alle Schäden des Nazi-Regimes.

Strammes Nein in Berlin

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hatten schon letzte Woche Reparationszahlungen kategorisch abgelehnt. Wie auch Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch begründeten sie dies mit 1952 gezahlten 110 Millionen D-Mark und dem Ausschluss weiterer Zahlungen im von Griechenland anerkannten Schlussdokument der Wiedervereinigung.

Doch die rechtliche Lage sei wohl diffiziler, als es die deutsche Regierung zugäbe, meinen manche deutsche Medien. Die Folgen wären jedenfalls unabsehbar, nicht nur wegen der horrenden Summen: Auch in Italien drängen immer wieder halboffizielle Stellen auf mehr Wiedergutmachung. Rom hatte deshalb schon einmal die kurzfristige Beschlagnahme einer deutschen Immobilie ermöglicht.

In der Berliner Politik reicht nun die Stimmung von Sarkasmus bis Empörung über Athen. Nur die kommunistische Linke findet, dass alle Forderungen ihrer dortigen Genossen rasch erfüllt werden sollten.