Präsident Hollande lockert Kündigungsschutz
Von Danny Leder
Wer jetzt nett bleibt, kann sich kein Gehör verschaffen“, erklärt Gabriel Gawin und tätschelt eine Gasflasche, die mit einem Sprengsatz verkabelt ist. Gawin ist Betriebsrat in einer Gießerei im Städtchen Vaux in Mittelfrankreich, die nach viermaligem Besitzerwechsel vor der Schließung steht.
Die verbliebenen 168 Beschäftigten (vormals 800), etliche davon über 50-jährig, sind mit ihrem Betriebsrat – er gehört der am meisten gemäßigten Gewerkschaft Frankreichs, der katholisch inspirierten CFTC, an – voll einverstanden: Spektakuläre Drohgebärden, die keiner wirklich ernst nimmt, sollen Forderungen Resonanz verschaffen, an die man ebenfalls nicht mehr zu glauben wagt: Ein Neustart des Werks, der aber wegen der Krise der Auftraggeber aus der Autoindustrie unwahrscheinlich erscheint. Eine außerordentliche Abfertigung von 50.000 € pro Entlassenem.
Industriesterben
Dieses Schwanken zwischen radikalem Aufbäumen und Fatalismus angesichts des anhaltenden Industriesterbens ist symptomatisch für die Stimmung unter Frankreichs Arbeitnehmern. Der härtere Flügel der Gewerkschaften und die Linksaußen-Parteien konnten zwar gestern Zehntausende Demonstranten landesweit gegen eine Reform des Arbeitsrechts mobilisieren, die sie als zu unternehmerfreundlich betrachten. Und auch bei den Basis-Versammlungen der regierenden Sozialisten rumort es gehörig gegen den von Staatschef François Hollande eingeschlagenen Kurs Richtung linker Mitte.
Aber diese Proteste werden keinen Deut an dem „Abkommen für Beschäftigung“ ändern, das zwischen den Unternehmerverbänden und den moderateren Gewerkschaften ausgehandelt wurde und heute, Mittwoch, bei einer Regierungssitzung zum Gesetzesentwurf erhoben wird. Für Präsident Hollande handelt es sich um das Herzstück seiner Strategie für die sozialpartnerschaftliche Befriedung der Arbeitswelt und die Wiederankurbelung der stagnierenden Wirtschaft Frankreichs.
Längere Arbeitszeiten
Konkret wird es Unternehmen, die sich in Schwierigkeiten befinden, gestatten, die Löhne temporär zu senken oder die Arbeitszeiten zu erhöhen, Kurzarbeit wird erleichtert. Kollektive Entlassungen werden vereinfacht. Als Gegenleistung für die Arbeitnehmer bietet das Abkommen eine Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung, eine Verbreiterung der Zusatzkrankenversicherung, den Eintritt von Personalvertretern in die Aufsichtsräte und eine stärkere Besteuerung von Kurzarbeitsverträgen. Diese Steuereinnahmen sollen wiederum Subventionen zugunsten unbefristeter Anstellung von jungen Arbeitnehmern finanzieren. Aber auch Regierungskreise zweifeln, dass dieser Mix aus Lockerung der Arbeitsmarktgesetze und neuen Subventionskreisläufen den Anstieg der Arbeitslosenrate auf vermutlich 10,7 Prozent bis Jahresende verhindern kann.