Frankreich: Michel Barnier deutet Rechtsruck an
Der frisch ernannte französische Regierungschef Michel Barnier will das zersplitterte Parlament einen und zugleich einen härteren Kurs in der Einwanderungspolitik einschlagen.
Seine Regierung werde trotz einer unklaren Mehrheit neben Konservativen auch Mitglieder aus dem Lager des französischen Präsidenten Emmanuel Macron umfassen, sagte der ehemalige EU-Kommissar in seinem ersten Interview als Regierungschef am Freitag.
Macron hatte dem konservativen Barnier am Donnerstag den Premierposten zugesprochen. Barnier warb dafür, dass auch Mitglieder anderer Gruppierungen seine Regierung unterstützten, einschließlich der Linken. "Es gibt keine rote Linie", sagte er. "Wir müssen die Tür öffnen - für alle, die es wollen."
In Bezug auf die Einwanderungspolitik kündigte Barnier dagegen eine härtere Gangart an. "Es gibt immer noch das Gefühl, dass unsere Grenzen Siebe sind und die Migrationsströme nicht kontrolliert werden", sagte der 73-Jährige. "Ich habe nicht viel gemeinsam mit den Ideologien des Rassemblement National, aber ich respektiere sie", fügte er mit Blick auf die Rechtsaußen-Bewegung hinzu, die Barnier unter bestimmten Bedingungen unterstützen würde.
Macron hatte nach dem Erstarken des Rassemblement National (RN) bei der Europawahl Neuwahlen ausgerufen. Jedoch verlor seine Bewegung "Ensemble" bei der Abstimmung Anfang Juli die Mehrheit im Parlament. Stärkste Kraft wurde das linke Bündnis Neue Volksfront. Macron lehnte es ab, sie mit der Regierungsbildung zu beauftragen, da andere Parteien mit der linken Sammlungsbewegung nicht zusammenarbeiten wollen. Die französische Verfassung gibt dem Präsidenten die Freiheit, für das Amt des Ministerpräsidenten zu ernennen, wen er will. Jedoch muss diese Person in der Lage sein, Misstrauensvoten der Opposition im Parlament zu überstehen.
Ein neuralgischer Punkt für die neue Regierung: Die Neue Volksfront und der RN stellen zusammen eine Mehrheit und könnten den Regierungschef im Falle einer Zusammenarbeit durch ein Misstrauensvotum stürzen. Beide Lager hatten massiv gegen einige von Macrons unpopulären Reformvorstößen gewettert.
Dazu zählt vor allem die Anhebung des Pensionsantrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Barnier kündigte an, die Reform mitzutragen. "Wir dürfen dieses Gesetz, das unter sehr schwierigen Umständen verabschiedet wurde, nicht in Frage stellen", sagte er. Der ehemalige Brexit-Unterhändler fügte jedoch hinzu, dass er bereit zu Anpassungen sei.
Ruhig bleibt es im politischen Frankreich dadurch nicht: Parteien des linken Spektrums haben für Samstag zu Massenprotesten aufgerufen. Die Neue Volksfront hatte bei der vorgezogenen Parlamentswahl Anfang Juli die meisten Stimmen erhalten und beansprucht deswegen, den Ministerpräsidenten zu stellen.