Politik/Ausland

Ausreiseverbot für potenzielle Dschihadisten

Einer der Chefs der „Al Kaida im islamischen Maghreb“ (AKIM) bat in einem verschlüsselten E-Mail an einen Korrespondenten in Südfrankreich um „Vorschläge bezüglich des Dschihad vor Ort“. Der Adressat, ein 29 jähriger Algerier, verwies umgehend in einer ebenfalls verschlüsselten Antwort auf den Eifelturm, das Louvre-Museum und das Theaterfestival von Avignon, „bei dem sich tausende Christen versammeln“.

Zwecks Vorbereitung der Anschläge sollte der Mann in ein Trainingslager der AKIM reisen. Knapp vor seinem Abflug wurde er aber von der Polizei. Dem französischen Inlandsgeheimdienst (DGSI) war es in der Zwischenzeit gelungen seine Korrespondenz mit AKMI zu entschlüsseln.

Diese verhinderten Attentatsprojekte, die soeben von der Zeitung „Le Parisien“ enthüllt wurden, illustrieren die Herausforderungen, denen die französische Regierung mit neuen Gesetzen zu begegnen versucht. Innenminister Bernard Cazeneuve präsentierte Mittwoch die geplanten neuen Bestimmungen: Erstens ein Ausreiseverbot für Personen, die sich „klarerweise“ einer Dschihad-Bewegung anschließen wollen. Die Betroffenen werden das Recht haben, dagegen gerichtlich Einspruch zu erheben.

Allerdings ist diese Einschränkung der Reisefreiheit aus Ermessensgründen der Behörden nicht nur juristisch heikel, sondern kann auch leicht umgangen werden, etwa wenn die künftigen Dschihadisten auf einen Flug verzichten.

Aus der Sicht der französischen U-Richter, die mit Terroraffären betraut sind, schließt diese neue Bestimmung aber eine Gesetzeslücke. Dabei verweisen sie auf den jüngsten Fall einer fünf köpfigen Familie, die an der Ausreise Richtung Dschihad in Syrien nur durch die Zurückhaltung ihrer drei Kleinkinder „wegen Gefährdung von Minderjährigen“ gehindert werden konnte – „sonst wäre die Familie jetzt in einem Dschihadistenlager“, erklärte ein Beamter. Im Schnitt würden drei Abreisen pro Tag aus Frankreich in den Dschihad stattfinden.

Blutschuld

Wer einmal bei den Dschihadisten gelandet sei, der werde zunehmend abgebrüht und oft auch durch Beteiligung an grausamen Tötungen in eine Art Blutschuld verstrickt: so geschehen mit einem jungen Konvertiten. Dieser war nach seiner Desertation aus einer Dschihadisten-Brigade nach Frankreich zurückgekehrt. Er wird aber jetzt von einem ebenfalls abgesprungenen ehemaligen Mitkämpfer beschuldigt, an einem Foltermord teilgenommen zu haben. Daher die Bemühungen, die Fahrt zu den Dschihadisten von Haus weg zu verunmöglichen.

Die zweite neue Gesetzes-Maßnahme sieht eine Festnahme bei Verdacht eines „individuellen Terrorunterfangens“ vor. Bisher war die Festnahme von Terroraspiranten nur durch Nachweis einer „Assoziierung mit Straftätern“ möglich. Dabei geht es den Behörden um die so genannten „einsamen Wölfe“, also Personen, die sich durch Internet-Propaganda gefährlich schnell radikalisieren und Anschläge im Alleingang vorbereiten.

Die Beamten des DGSI wissen freilich nur zu gut, dass diese neuen Gesetzesbestimmungen bei weitem nicht ausreichen, um das Phänomen der in den Dschihad ziehenden jungen Leute und verborgenen Terror-Anwärter in den Griff zu bekommen. Für eine umfassende, flächendeckende Identifizierung und Beschattung von hunderten potentiellen Dschihadisten gibt es nicht genug Beamte. Außerdem kann diesem Trend nicht alleine durch polizeiliche Maßnahmen begegnet werden, auch wenn diese unumgänglich und prioritär sind.