Schweigeminute für die Opfer von MH 17
Von Walter Friedl
Überall wehten am Mittwoch in den hochsommerlichen Niederlanden die Fahnen auf Halbmast. An vielen Orten entstanden im Land der Tulpen wahre Blumenmeere: Eine Nation gedachte der 193 Mitbürger, die mit Flug MH 17 über der Ostukraine in den Tod gestürzt waren. Am Nachmittag hielt ganz Holland nochmals inne – inform einer Schweigeminute, nachdem die sterblichen Überreste der ersten 40 Opfer um 15:46 Uhr an Bord einer Hercules-Transportmaschine in Eindhoven eingetroffen waren.
Als der Flieger aus der ukrainischen Stadt Charkiw kommend landete, wurde er von Premier Mark Rutte, der diesen Mittwoch zum nationalen Trauertag ausgerufen hatte, dem niederländischen Königspaar und den Angehörigen empfangen. Es war ein tränenreicher Empfang.
„Würde sie totfahren“
Doch immer stärker mischt sich in die kollektive Trauer auch Wut. Und diese richtet sich gegen Putin. Aber nicht nur gegen den russischen Präsidenten, der für den mutmaßlichen Abschuss durch ukrainische Separatisten mitverantwortlich gemacht wird, weil er diese unterstützt, sondern auch gegen seine Tochter Mascha. Diese ist mit dem Niederländer Jorit Faassen, 34, verheiratet, der für die Gazprombank und Stroitransgaz in Moskau arbeitete, und wohnt angeblich in einem Nobelvorort von Den Haag. Via Twitter kursieren Aufrufe, vor ihrem Haus zu protestieren.
Ein holländischer Künstler geht auf Facebook weiter: „Ich würde die Tochter von Putin totfahren, wenn meine Tochter im Flugzeug gesessen wäre.“ Ein verzweifelter Vater verarbeitete seinen Schmerz mit Sarkasmus: „Vielen Dank, Herr Putin, für das Ermorden meines einzigen Kindes.“
Weil er lange versuchte, den Kontakt zu Wladimir Putin aufrechtzuerhalten, steht Premier Rutte nun unter starkem innenpolitischen Druck. „Er sieht jetzt aus wie Chamberlain (der britische Premier betrieb gegenüber den Nazis eine Beschwichtigungspolitik), nachdem Hitler das Sudetenland einnahm“, ätzte der renommierte Kolumnist Paul Janssen.
Kritiker sehen hinter der „Appeasement“-Politik einen wirtschaftlichen Zusammenhang: 4000 niederländische Unternehmen, darunter so Kaliber wie Unilever, Philips und Shell (Sitz in den Haag), sind in Russland aktiv.