Politik/Ausland

Tagesquoten: Wien kritisiert, Berlin rüffelt zurück

In deutschen Medien war der Name Faymann am Mittwoch überall zu lesen. "Österreichs Kanzler legt im Streit mit Berlin nach", stand nach seinen Äußerungen im KURIER zu lesen – dass Werner Faymann forderte, Deutschland solle doch Flüchtlinge per Tagesquote direkt aus Griechenland, der Türkei oder Jordanien zu sich holen, sorgte in Berlin für einige Wellen.

"Schaden für die Wirtschaft"

Die Regierung gab sich in ihrer Reaktion zunächst zurückhaltend – Merkels Sprecher Steffen Seibert meinte nur, man wolle "einzelne Äußerungen nicht kommentieren". Ein Standardsatz, sobald sich ausländische Staatschefs zu deutschen Belangen äußern. Ganz verkneifen konnte er sich einen Rüffel aber nicht. Wer die Binnengrenzen schließe, lasse die Belastungen für andere nach oben schnellen, sagte er – die Bilder aus Griechenland würden dies überdeutlich zeigen. "Niemandem, der Bilder aus Griechenland sieht, werden diese nicht nahegehen", so Seibert. Ähnliches hatte Merkel selbst zuvor in einem Interview gesagt. "Wer die nationalen Grenzen schließt, bewirkt damit nichts gegen die Ursachen der Flüchtlingsbewegung. Er riskiert obendrein auf Dauer einen Schaden für unsere Wirtschaft", so ihre Botschaft.

Den Tagesquoten, die Faymann Berlin nahegelegt hat, erteilte man auch eine klare Absage. "Deutschland operiert nicht mit Tagesquoten", hieß es dazu einsilbig; das gelte auch für die Grenze zwischen Österreich und Bayern, so das Innenministerium. Dort weist man die von Faymann und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner geäußerte Kritik, Deutschland habe ja schon längst so etwas wie Tageskontingente eingeführt, zurück: Die Zahl der Asylsuchenden, die nach Bayern gelassen werden, variiere von Tag zu Tag; eine maximale Einreisezahl, wie Österreich sei habe, gebe es nicht, so Sprecher Tobias Plate.

Gipfel im Kanzleramt

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Dass die Reaktionen auf Österreichs Gebaren ärgerlich wirken, hat seinen Grund auch darin, dass die innenpolitische Debatte entlang ähnlicher Linien verläuft – CSU-Chef Seehofer wünscht sich seit Langem ähnliche Schritte. Am Mittwoch traf man sich deshalb auch zum Gipfel im Kanzleramt; vorerst aber ohne Ergebnis: Man habe "in freundschaftlicher Atmosphäre" Königsberger Klopse gespeist, so ein ungewohnt höflicher Seehofer.

Dass er das Poltern unterlässt, sogar dazu übergegangen ist, nur durch die Hintertür Druck zu machen – etwa durch die Blockade der Erbschaftssteuer-Reform –, dürfte ähnliche Gründe haben wie die Tatsache, dass sich CDU-Vize und Merkel-Kritikerin Julia Klöckner plötzlich hinter die Kanzlerin stellt. Beide leiden unter sinkenden Beliebtheitswerten – jene Merkels aber steigen wieder, seit die Sperren entlang der Balkanroute für einen Stau in Griechenland sorgen. Laut Deutschlandtrend vertrauen ihr 54 Prozent – das ist so viel wie zu Herbstbeginn.