"Ein EU-Fonds für Flüchtlinge ist nötig"

„Zurück zu Schengen, Kontrolle an Außengrenzen“: Tusk, Faymann.
Kanzler Werner Faymann drängt auf einen Finanzbeitrag der Mitgliedsländer und eine Tagesquote für Deutschland.

Es ist eine Frust-, keine Lustreise, die Donald Tusk gestern begonnen hat. Der EU-Ratspräsident besucht Länder entlang der Balkanroute – um im Vorfeld des EU-Sondergipfels mit der Türkei am kommenden Montag zu vermitteln. Gestern war Tusk bei SPÖ-Kanzler Werner Faymann in Wien. Finale Stationen sind am Donnerstag das Nicht-EU-Land Mazedonien, Griechenland und die Türkei.

Österreich wird vor allem von Deutschland wegen seines Alleingangs mit Obergrenzen und Tageskontingenten für Flüchtlinge kritisiert. Auch der griechischen Regierung missfällt diese Asylpolitik – weil sich wegen der Grenzen-dicht-Strategie entlang der Westbalkanroute Flüchtlinge in Griechenland stauen.

Doppelmühle

Er habe auch Präsident Tusk mitgeteilt: "Wenn Schengen funktionieren soll, was wir wollen, geht es nicht, dass Flüchtlinge von Griechenland bis Österreich durchgewunken werden", sagt Faymann im KURIER-Gespräch. Damit sei Österreich "in einer Doppelmühle". Es sei nicht länger tragbar, "dass täglich mehrere Tausend Menschen durchgewunken werden, andererseits lässt uns Deutschland wissen, dass es heute nur 1000 oder 2000 oder einen ins Land lässt". An der EU-Außengrenze müssten die Flüchtlinge verteilt werden, in Griechenland und Italien: "Man kann die Menschen nicht 2000 Kilometer weiterziehen lassen – und Österreich zum Warteraum für Deutschland machen. Dagegen wehren wir uns massiv."

Was erwartet der Kanzler von Deutschland? "Es sollte eine Tagesquote festlegen – und nach dieser Flüchtlinge direkt von Griechenland, der Türkei oder Jordanien nach Deutschland bringen." Durchreise-Zertifikate seien auszustellen. "So ist die Verteilung auch vorgesehen. Österreich kann und darf nicht zur Verteilstelle werden. Damit muss Schluss sein." Österreich habe im Vorjahr 90.000 Asylanträge entgegengenommen – "pro Kopf mehr als Deutschland", heuer würden es 37.500 sein: "Wenn alle Staaten, gemessen an der Einwohnerzahl, so agieren würden, könnten wir in Europa zwei Millionen Menschen Schutz bieten."

Wenn schon das nicht funktioniere, müsse es zumindest eines geben, sagt Faymann: "Es ist ein Fonds nötig, in den, wie bei der Bankenrettung, jedes EU-Mitglied einzahlt." Verwendet werden sollte dieses Geld "für den Außengrenzenschutz in Griechenland – und um Kosten für Asylwerber abzudecken." Warum sollten die Staaten das goutieren? "Weil alles, wo gemeinsam agiert wird, günstiger ist, als wenn ein Land allein die Kosten trägt. In Deutschland sind das für Flüchtlinge Milliarden. Die Bereitschaft war groß, den Banken zu helfen. Das sollte sie beim Flüchtlingsthema auch sein."

Plan B

Glaubt Faymann, dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel keinen Plan B hat, wie sie sagt – für den Fall, dass der EU-Türkei-Gipfel scheitert? "Ich fürchte, ihr Plan B ist, Flüchtlinge weiter durchzuwinken. Und das ist kein akzeptabler Plan."

Tusk befand nach der Zusammenkunft mit dem Kanzler: "Österreich trägt schwer an der Last der Migrationskrise." Es überrasche nicht, "dass die Frustration steigt". Er erwarte "stärkeres Engagement der Partner".

Der griechische Premier Alexis Tsipras besteht darauf, dass die Schutzsuchenden in Europa gleichmäßig verteilt werden. Andernfalls würden Beschlüsse des EU-Türkei-Gipfels blockiert.

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