Politik/Ausland

Fillon auf dem Durchmarsch

Die Sache scheint gelaufen: Aller Voraussicht nach dürfte im zweiten Durchgang der bürgerlichen Vorwahlen morgen, Sonntag, François Fillon zum Präsidentschaftskandidaten für 2017 gekürt werden. Fillon war im ersten Durchgang mit 44 Prozent klar in Führung gegangen. Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy schied mit 20 Prozent aus dem Rennen aus und gab eine Empfehlung für Fillon ab.

Der zweitgereihte Alain Juppé (28 Prozent) dürfte seinen Rückstand nicht wettgemacht haben. Seine letzte Chance bot sich bei einem TV-Duell, doch dieses verlief zu geruhsam. Auch wenn zwischen den beiden, die jeweils bereits einmal als Premierminister gedient hatten, Unterschiede deutlich wurden:

François Fillon bekannte: "Mein Projekt ist radikaler und schwieriger. Aber wenn man jetzt nicht radikal ist, dann frage ich mich, wann man es jemals sein wird." Begründung: In Frankreich sei man "seit 30 Jahren vor den Reformen zurückgeschreckt, die in Deutschland und Großbritannien unternommen wurden." Deshalb befinde sich das Land in einer "Situation des Quasi-Bankrotts" und "am Rande einer Revolte". Gegen die "ständig wachsende Steuerflut", die "abgrundtiefe Verschuldung" und die Arbeitslosigkeit könne nur ein radikaler Einschnitt in die Staatsausgaben helfen: Fillon will im öffentlichen Dienst über eine halbe Million Posten (von insgesamt fünf Millionen) abbauen.

Alain Juppé hält dieses Ziel für unrealistisch und will nur 250.000 Posten im öffentlichen Dienst abbauen. Auch sonst wirft Juppé seinem Rivalen "soziale Brutalität" vor – etwa bei der Krankenversicherung. Tatsächlich möchte Fillon diese "entstaatlichen", wobei nur mehr bei "schweren und langen Erkrankungen" Anspruch auf Kostenerstattung für Medikamente gelten sollte. Beide wollen die derzeitige Wochenarbeitszeit von 35 Stunden (als Berechnungsgrundlage für Überstunden) abschaffen. Juppé will aber dafür gewisse Gehaltsverbesserungen, Fillon will die Arbeitszeitregeln kompensationslos kippen.

Dazu kommen gesellschaftspolitische Differenzen. Fillon wird von der konservativ-katholischen Bewegung gegen die Abtreibung und die Homo-Ehe unterstützt. Er selber will zwar weder am Recht auf Abtreibung noch an der bereits eingeführten Homo-Ehe rütteln, aber das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare einschränken.

Von Migranten fordert Fillon "Assimilierung", dem Schulwesen wirft er mangelnde Unterweisung in nationaler Geschichte vor. Juppé betont hingegen, Frankreichs Stärke liege in der "Vielfalt" seiner Bevölkerung. Das brachte Juppé eine Flut von Beschimpfungen durch rechtsrechte Hetzer ein, die ihn im Netz als "Ali Juppé" verhöhnen.

Schließlich wurde Fillon vom russischen Staatschef Putin sinngemäß als weltweite Ausnahme-Erscheinung gepriesen. Fillon tritt für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ein und tendiert zu Putins Haltung im Syrien-Krieg.