Facebook-Hearing: Mark Zuckerbergs Märchenstunde
Von Dirk Hautkapp
Immer, wenn es konkret wird, greift der blasse Mann mit der blauen Krawatte zu seiner Allzweckwaffe: „Wichtige Frage, Herr Senator. Ich werde mein Team gerne bitten, die Details nachzureichen.“
Mark Zuckerberg, der Gründer und Chef des weltweit größten Internet-Netzwerks Facebook, bediente sich in seinem zweitägigen Vernehmungs-Marathon vor den Ausschüssen des Kongresses so oft dieses einstudierten Ausweichmanövers, dass Chronisten mit dem Zählen nicht mehr nachkamen.
Gleichwohl überstand der 33-Jährige das im Zuge des Datenmissbrauchs-Skandals um die britische Firma Cambridge Analytica anberaumte Ritual „Politiker fragen, Wirtschaftsgewaltige antworten“ ohne wirkliche Schrammen.
Am Mittwoch hatte Zuckerberg es im Repräsentantenhaus etwa schwerer. Die Abgeordneten, die im November allesamt zur Wiederwahl stehen, profilierten sich teilweise mit barschen Unterbrechungen. Der Abgeordnete David McKinley klagte, dass illegale Online-Apotheken auf Facebook für todbringende Schmerzmittel werben können. „Sie schaden Menschen“, sagte er an die Adresse Zuckerbergs.
Dosierte Reue
Der setzte auf eine kultivierte Strategie der dosierten Reue, die er seit dem 14-jährigen Bestehen seiner Firma betreibt: „Es war mein Fehler, und es tut mir Leid.“
Dies paarte er mit allgemein gehaltenen Versprechungen auf Besserung: „Es reicht nicht, Instrumente zu produzieren. Wir müssen auch sicherstellen, dass sie für Gutes genutzt werden“.
Argumente, die vorerst genügten, um den Unmut über das Geschäftsgebaren von Facebook zu dämpfen. Kritiker im Internet sprachen spöttisch von „Marks erfolgreicher Märchenstunde“.
Während der live im Fernsehen übertragenen Sitzungen, kletterte der Börsenkurs von Facebook am Dienstag – und Zuckerberg wurde um drei Milliarden Dollar reicher. Auslöser für den ersten Auftritt des einstigen Wunderkinds der Tech-Branche war, dass ein App-Entwickler bereits vor vier Jahren die Daten von rund 90 Millionen Facebook-Kunden abgesaugt und an Cambridge Analytica verkauft hatte. Mit dem Material wurden im Präsidentschaftswahlkampf 2016 gezielt positive Werbe-Botschaften für den heutigen US-Präsidenten Donald Trump platziert. Begünstigt wurde Zuckerbergs „Sieg“ (CNN) im Senat durch den Generationen-Unterschied: Viele der 44 fragenden Senatorinnen und Senatoren sind weit über 70 Jahre alt. Ihr Wissen über die innere Mechanik der mit 450 Milliarden Dollar notierten Firma ist überschaubar.
So fragte Orin Hatch (Utah, 84) ernsthaft, wie es sein kann, dass Facebook seine Produkte kostenlos anbietet. Entgeisterte Antwort Zuckerbergs: „Wir lassen Werbung laufen, Senator.“
Darum verwunderte es nicht, dass kein Senator reagierte, als Zuckerberg einen Ausblick auf die Zukunft gab, der Fachleute frösteln lässt. Danach werde bald „Künstliche Intelligenz“ eingesetzt, um Hass-Tiraden und vergiftete politische Propaganda von der Plattform zu tilgen. Ohne Widerstände konnte Zuckerberg mehrfach behaupten, dass die Nutzer a) volle Kontrolle über ihre Daten und b) durch Bestätigung der Geschäftsbedingungen in deren Weitergabe eingewilligt hätten.
Zweifel
An beiden Aussagen gibt es Zweifel. 2011 verpflichtete die Federal Trade Commission Facebook dazu, Nutzerdaten besonders zu schützen – und das verständlich.
John Kennedy, Republikaner aus Louisiana, nannte die in ausgedruckter Form bibeldicken Geschäftsbedingungen „beschissen“ und ermahnte Zuckerberg zur drastischen Vereinfachung. Kurz zuvor hatte Lindsey Graham gefragt: „Denken Sie nicht, dass Sie ein Monopol haben?“ Zuckerberg ungerührt: „Fühlt sich nicht so an.“
Bei der Vorgeschichte von Fehlern und Pannen, so sagten Experten vorher, müsse Zuckerberg Antworten auf Kernfragen geben. Wie viele Fake-Nutzerkonten wurden enttarnt und gelöscht? Wie häufig haben Drittanbieter Daten von Facebook ohne Zustimmung der Betroffenen kommerziell weiterverarbeitet? Aus welchen Bundesstaaten kommen die Facebook-Kunden, deren Daten gezielt von Cambridge Analytica genutzt wurden? Welche Regulierung hält der Facebook-Chef für sinnvoll? In fast allen Punkten blieb Zuckerberg, dem Mitarbeiter ein langes Papier mit Gedächtnisstützen vorbereitet hatten, bewusst im Ungefähren.
Ist er für staatliche Regulierung? „Ja, wenn es die richtige Regulierung ist.“
Der Demokrat Richard Blumenthal winkte ab. Ohne Regeln, die von einer unabhängigen Instanz durchgesetzt werden müssten, könne er „vagen Versprechen“ auf Besserung keinen Glauben schenken. Dass die politischen Konsequenzen des Zuckerberg-Tribunals „milde“ ausfallen, steht für einige US-Medien fest. Eine Mehrheit, die Facebook ans staatliche Gängelband legen möchte, sei im Kongress nicht vorhanden. Ein Grund: Nur ein Bruchteil der Volksvertreter verstehe genug von der Materie, um dem Social-Media-Riesen Paroli bieten zu können.