Politik/Ausland

Aktionsplan soll afrikanische Flüchtlinge abhalten

Die maltesische Hauptstadt Valletta mit ihren rund 12.000 Einwohnern ist dem Ansturm von 63 europäischen und afrikanischen Staats- und Regierungschefs sowie 94 Delegationen kaum gewachsen. Überall gibt es Staus und Absperrungen, Hubschrauber kreisen über dem Konferenzzentrum nahe dem Fort St. Elmo, einer Festung, die von den Rittern des Johanniterordens im 16. Jahrhundert erbaut wurde.

Hier trifft sich eine illustre Runde, um den Flüchtlingsansturm aus dem Süden zu stoppen: Afrikanische Potentaten, die bis dato nichts gegen den Exodus aus ihren Ländern getan haben, und EU-Granden, die verzweifelt versuchen, den Massenzuzug zu verhindern.

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15 Millionen sind allein in Afrika auf der Flucht, ein Großteil von ihnen kommt aus Diktaturen. Zu den politischen Ursachen der Flucht kommen auch Hunger, Armut und Klima-Katastrophen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Millionen vor den Toren der EU stehen. Der Fluchtbewegung aus Afrika will die EU jetzt mit einem Aktionsplan Einhalt gebieten. Der Plan wurde am Donnerstag verabschiedet, der illegale Migration eindämmen und gleichzeitig die legalen Wege für eine Arbeitsaufnahme oder ein Studium in der EU erleichtern soll.

Geld dringend gesucht

Mühsam rangen EU-Diplomaten mit afrikanischen Emissären über den Plan. "Wir erwarten, dass die Europäer ganz tief in ihre Taschen greifen", sagt ein afrikanischer Verhandler dem KURIER. Alles dreht sich um Geld.

24 EU-Staaten, darunter auch Österreich, sowie Norwegen und die Schweiz haben 70 Mio. Euro in den Afrika-Trust-Fonds eingezahlt. Die EU-Kommission zahlt 1,8 Mrd. "Wir können den Löwenanteil aber nicht allein stemmen", klagt Entwicklungskommissar Neven Mimica.

Afrikanische Gipfelteilnehmer sehen das anders: "1,8 Milliarden sind absolut nicht genug für ganz Afrika", sagt der senegalesische Präsident Macky Sall. "Wir brauchen mehr Unterstützung und Europa muss sie leisten", fordert er.

Geld aus Österreich

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"Österreich hat bei der Entwicklungshilfe Nachholbedarf", betont Kanzler Werner Faymann, "aber wir werden insgesamt 26 Millionen für Flüchtlinge aufwenden" (Syrien-Fonds, UNHCR, Afrika-Fonds). Mithilfe des Fonds will die EU Ausbildungsprogramme, kleine Unternehmen und Stipendien finanzieren, um die Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten. "Man wird auch über Wege sprechen, wie man eine organisierte, legale Einreise ermöglichen kann", sagt Faymann. "Eine endgültige Lösung wird es nicht geben." Der Grund: Afrika will große Kontingente, die EU ist dagegen.

Migranten-Rücknahme

Das zentrale Interesse sind Rückübernahme-Abkommen. Regierungen afrikanischer Länder müssen sich vertraglich bereit erklären, Asylwerber zurückzunehmen, wogegen sich aber afrikanische Regierungschefs wehren. Geld soll sie davon überzeugen. "Es geht um rechtsstaatliche Rückübernahme-Abkommen, wo dies möglich ist, nicht mit Diktaturen", präzisiert der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz. Die deutsche Kanzlerin Merkel meinte: Die afrikanischen Länder seien in der Pflicht zu nehmen.

Am Donnerstag steht auch ein dringend nötiges Krisentreffen in Valletta auf der Agenda. Schotten dicht, ist ja derzeit die Devise etlicher EU-Staaten. "Wir haben es mit einem Domino-Effekt zu tun, was in Ungarn begann, setzt sich in Mitteleuropa und auf dem Balkan fort", erklärt ein EU-Diplomat. Wie die Flüchtlingsströme auf dem Balkan ordnen, wenn Länder die Grenzen schließen – darüber zerbrechen sich die EU-Regierungschefs den Kopf. Auch für Griechenland wird ein Paket geschnürt, um endlich die Aufnahmezentren einzurichten. Und schließlich geht es auch um die Kooperation mit der Türkei. Und nicht zuletzt um "die Sorgen und Ängste der Bevölkerung", wie Faymann feststellt. Ein volles Programm.

Offizieller Grund für das Fernbleiben ist die erste Sitzung des Parlaments nach der Wahl vom 25. Oktober, die der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) eine absolute Mehrheit gebracht hat. Beobachter sehen aber auch einen Zusammenhang mit dem Flüchtlingsthema.

Damit war die scheidende Premierministerin Ewa Kopacz im Wahlkampf unter Druck gesetzt worden – obwohl sich Polen ohnehin bloß auf die Aufnahme von 7000 Flüchtlingen festgelegt hat. PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski hatte harte Töne angeschlagen: Er warnte davor, dass die Migranten Parasiten und die Scharia mitbringen könnten. "Die Anträge der 7000 Flüchtlinge werden bearbeitet", so der künftige Außenminister Witold Waszczykwoski, der sich nicht auf eine garantierte Aufnahme der Asylwerber festlegen wollte.

Orban ist Vorbild

Die selbe Linie verfolgt Tschechien und geht noch einen Schritt weiter. Prag wollte im Gegensatz zu Warschau die EU-Quotenverteilung nicht mittragen. Ähnlich sieht das Jaroslaw Kaczynski, der sich dazu bekennt, dem autoritär regierenden ungarischen Premier Viktor Orban als Vorbild nacheifern zu wollen.

Dennoch kritisiert die PiS die Entscheidung der abtretenden Regierung, Polen durch Tschechien vertreten zu lassen. Sollte der tschechische Repräsentant etwas entscheiden, was Kaczynski nicht passt, kann dieser sich nicht daran gebunden fühlen.