Flüchtlinge: EU-Rettungspläne sind "lächerlich"
Caritas, Amnesty International, Rotes Kreuz und zahlreiche andere Nichtregierungsorganisationen machen Druck auf die 28 Staats- und Regierungschefs. Das Zehn-Punkte-Programm, das die EU-Granden, heute Donnerstag, in Brüssel beschließen wollen, lehnen die Hilfsorganisationen bis auf einen Punkt, der raschen Seenothilfe, kategorisch ab. Auf Widerstand stößt vor allem ein Punkt des EU-Planes, nämlich Schleuserboote notfalls auch militärisch zu zerstören. Er sei "fassungslos", sagte Caritas-Präsident Michael Landau, denn: "Zerstörte Schlepperboote werden nur durch noch wackeligere Boote und Schlauchboote ersetzt."
Amnesty International-Generalsekretär Heinz Patzelt findet die EU-Pläne "völlig lächerlich" und "besonders zynisch", sagte er bei einer Pressekonferenz der Hilfsorganisationen am Mittwoch in Wien. Die angedachte Verdoppelung der Mittel für "Triton" der EU-Grenzschutzmission Frontex (derzeit maximal 2,9 Millionen Euro pro Monat) sei eine "gefährliche Drohung". "Triton" sei von seiner Ausrichtung ein Programm zum Schutz der Festung Europa, erklären EU-Experten.
Kritik an Asylzentren
Unisono verlangten die NGO-Vertreter die Fortführung des Anfang 2015 abgeschafften Programmes "Mare Nostrum", welches zum Schutz der Flüchtlinge im Mittelmeer eingesetzt wurde. "Mare Nostrum" bekam 9,5 Millionen Euro pro Monat. Weiters wurde eine legale Einwanderungsmöglichkeit für Flüchtlinge gefordert.
Auf Ablehnung stieß der von Wien und Berlin propagierte Vorschlag, UNHCR-Asylzentren in Nordafrika zu errichten. Gegenwärtig seien etwa 800.000 Menschen beim UNHCR-Umsiedlungsprogramm in Afrika registriert. 2014 hätten jedoch nur 71.000 Menschen auf diesem Weg Asyl erhalten, davon 5500 in der EU, betonte Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich.
Trotz dieser Kritik erneuerte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Mittwoch ihren Vorschlag, den Weg afrikanischer Flüchtlinge nach Europa künftig ausschließlich über neu zu schaffende UNHCR-Stellen in Nordafrika, Libyen ausgenommen, zu führen. Diese Stellen sollten "keine Gefängnisse" sein, betonte Mikl-Leitner. Dort soll der Schutzbedarf festgestellt werden, das Asylverfahren würde in den EU-Staaten stattfinden.
10.000 Tote befürchtet
Bei ihrem Gipfel wollen die EU-Granden auch mögliche Aufnahmequoten von Flüchtlingen diskutieren (siehe Tabelle). Unklar ist, welche Kriterien für die Berechnung herangezogen werden (Wirtschaftskraft, Bevölkerung oder Arbeitsmarktsituation). "Am besten wäre ein finanzieller Lastenausgleich", sagte ein EU-Diplomat zum KURIER.
Die Vereinten Nationen fürchten jedenfalls, dass die Zahl der Mittelmeerflüchtlinge in diesem Jahr die Marke von einer halben Millionen übersteigen könnte. Zu befürchten seien rund 10.000 Tote, warnte Koji Sekimizu, der Leiter der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation.