Politik/Ausland

EU-Quote: Österreich soll 444 Flüchtlinge aufnehmen

Die Botschaft aus Brüssel ist unmissverständlich: „Wir müssen die Europäische Solidarität, von der ständig geredet wird, jetzt in Taten umsetzen“, sagt Franz Timmermans, die rechte Hand von Kommissionschef Jean-Claude Juncker.

Viele Jahre schon wird von einer gemeinsamen EU-Flüchtlingspolitik gesprochen, die den Namen auch verdient. Jetzt soll sie kommen – wenn auch in kleinen, behutsamen Schritten.

In der zentralen Frage, welches Land sich um wie viele Flüchtlinge kümmern soll, schlägt die Kommission einen fixen Verteilungsschlüssel vor.

Die Kriterien dafür:

  • 40 Prozent Gewicht erhält die Einwohnerzahl, „weil sie die Kapazität widerspiegelt, eine bestimmte Zahl an Flüchtlingen aufzunehmen“, wie es im Vorschlag der Kommission heißt.
  • 40 Prozent zählt auch die Wirtschaftsleistung – „sie reflektiert die Fähigkeit eines Landes, Flüchtlinge zu versorgen und integrieren“.
  • Mit 10 Prozent werden die Asylanträge der vergangenen fünf Jahre einberechnet, um „die bisherigen Anstrengungen der Mitgliedsländer zu berücksichtigen“.
  • Mit 10 Prozent gewichtet ist auch die Arbeitslosenquote „als Indikator für die Aufnahmefähigkeit“ eines Landes.

Dieser Verteilungsschlüssel soll die Grundlage für gleich zwei Projekte sein, die die Kommission vorschlägt.

Erstens: Die „Neuansiedlung“ von 20.000 Vertriebenen (zB aus Syrien), die internationalen Schutz in Europa benötigen. Dies läuft in Kooperation mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk, ist vorerst bis Ende 2016 begrenzt und wird mit 50 Millionen Euro aus Brüssel unterstützt. Österreich soll hier 444 Menschen direkt aus den Krisengebieten aufnehmen.

Zweitens soll die Quote Basis sein für die Verteilung von Flüchtlingen, die bereits in Europa sind. Österreich würde in diesem System 2,62 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen – pro 10.000 wären das also 262 (siehe Grafik). Dies wäre eine „massive“ Entlastung für Österreich, sagt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner: „Derzeit versorgen wir rund fünf Prozent aller Flüchtlinge in Europa.“

Pilotprojekt

Vorerst will die Kommission, dass die Staaten die neue Verteilung angesichts der Flüchtlingstragödie im Mittelmeer als Notfallsmaßnahme einführen. „Wenn es sich bewährt, könnte das aber eine permanente Lösung werden“, sagt Timmermans. Bis Jahresende will die Kommission ein Modell für ein dauerhaftes System vorlegen.

Jetzt sind die Staaten an der Reihe; sie müssen den Plan der Kommission mit qualifizierter Mehrheit beschließen. Dafür braucht es 15 der 28 Mitgliedsstaaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten.

Widerstand

Zu den Befürwortern der Quotenregelung zählen neben Österreich auch Deutschland, Frankreich, Italien und Malta. Dagegen ausgesprochen haben sich bislang Ungarn, Tschechien, die Slowakei sowie die baltischen Staaten. Und Großbritannien – wobei die Briten ohnehin nicht mitmachen müssen. Sie haben, so wie Irland und Dänemark, per EU-Vertrag das Recht, sich bei Themen, die die Justiz oder die Innere Sicherheit betreffen, auszusuchen, ob sie dabei sind oder nicht.

  • Quotenregelung für in Europa ankommende Flüchtlinge Die Kommission will mit Ende Mai einen Notfallmechanismus im EU-Vertrag für den Fall eines "plötzlichen Zustroms von Drittstaaten-Angehörigen" aktivieren. "Personen, die klar internationalen Schutz bedürfen", sollen nach einem Schlüssel (Bevölkerungszahl, Bruttoinlandsprodukt, Arbeitslosigkeit und bereits aufgenommene Flüchtlinge) auf "alle Mitgliedsstaaten" verteilt werden. Diese sind dann für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Bis Ende des Jahres will die Kommission einen Vorschlag für eine "verpflichtende und automatisch ausgelöste Verteilung" in solch einem Fall vorlegen.
  • Legale Einreismöglichkeiten Bis Ende Mai will die Kommission ein Modell für die permanente Umsiedelung (Resettlement) von 20.000 bereits von der UNO anerkannten Flüchtlingen nach Europa vorlegen, die EU stellt dafür bis Ende 2016 insgesamt 50 Mio. Euro zur Verfügung. Österreich soll nach dem oben genannten Schlüssel 444 von ihnen aufnehmen. Wenn nötig soll diese Quotenregelung nach 2016 verbindlich gesetzlich festgeschrieben werden.
  • Vorgehen gegen Schlepper Neben der Zerstörung von Booten auch besserer Informationsaustausch zur Identifizierung von Schmugglernetzwerken sowie der Versuch, "Anzeigen" von Menschenschmugglern aus dem Internet entfernen zu lassen.
  • Zusammenarbeit mit Herkunfts-/Transitländern Die EU will bis Ende 2016 insgesamt 30 Mio. Euro zusätzlich für Entwicklungshilfeprojekte in Nordafrika und am Horn von Afrika zur Verfügung stellen. Zudem soll ein "Mehrzweckzentrum" im Niger entstehen und unter anderem "Resettlement-Möglichkeiten" sowie freiwillige Rückkehrmöglichkeiten für "illegale Migranten" anbieten.
  • EU-Asylbüros an den Außengrenzen Das EU-Asylbüro EASO (European Asylum Support Office), die Grenzschutzagentur Frontex und Europol wollen Mitgliedsstaaten an den EU-Außengrenzen bei der "schnellstmöglichen" Bearbeitung von Asylgesuchen ankommender Migranten unterstützen. Im Fall einer Ablehnung soll Frontex bei der Abschiebung in die Herkunftsländer helfen. Zudem will die EU den betroffenen Mitgliedsstaaten mit 60 Mio. Euro an "Nothilfe" unter die Arme greifen.
  • Evaluierung des Dublin-Systems Laut dem Dublin-System ist jener Mitgliedsstaat für die Betreuung eines Asylwerbers zuständig, in dem dieser erstmals EU-Boden betrat. Dieses "funktioniert nicht, wie es soll", weshalb die EU-Kommission es 2016 einer Evaluierung unterziehen will. Diese soll dann auch Erfahrung mit der Verteilung von Flüchtlingen nach dem Quotensystem miteinbeziehen.
  • Die Umsetzung der jüngsten EU-Gipfelbeschlüsse Verdreifachung der Mittel für die Frontex-Grenzschutzmissionen "Triton" und "Poseidon" auf neun Mio. Euro monatlich, um "die Leistungsfähigkeit und den geografischen Umfang zu erweitern".
  • Legale Migration für Hoch-Qualifizierte und einheitliches europäisches Asylsystem Langfristig schlägt die Kommission vor, mehr Anreize für eine legale Migration von hoch qualifizierten Einwandern aus Nicht-EU-Staaten zu schaffen, was auch effiziente Integrationsmaßnahmen miteinschließe. Zudem sollen weitere Schritte in Richtung eines einheitlichen, in der gesamten EU anerkannten Asylstatus' unternommen werden.