Junckers Wahl wird zur Zitterpartie
Ende Juni wurde Jean-Claude Juncker von den Staats- und Regierungschefs nach wochenlangem Tauziehen als Präsident der nächsten EU-Kommission nominiert, heute soll er vom Parlament gewählt werden. Doch die Abstimmung könnte zur Zitterpartie werden.
376 der 751 Abgeordneten müssen für Juncker stimmen. Dessen Europäische Volkspartei hat 221 Mandatare; die Sozialdemokraten, bei Junckers Wahl quasi der Koalitionspartner 191. Doch in beiden Fraktionen drohen Abweichler: Die zwölf Fidesz-Abgeordneten etwa dürften ihrem Parteifreund die Zustimmung verweigern – Ungarns Premier Orban war neben dem Briten Cameron als einziger Regierungschef gegen Juncker.
Bei den Sozialdemokraten haben laut gut vernetzten Roten nach einer Aussprache mit Juncker vergangene Woche einige Mandatare Bedenken angemeldet: Schweden, Spaniern, Portugiesen und Italienern haben Zweifel an Juncker.Wackelkandidaten sind auch die 20 britischen Labour- Abgeordneten.
An den Rändern darf Juncker keine Unterstützung erwarten: Die Linken wollen ebenso gegen ihn stimmen wie die rechtskonservativen Fraktionen und die Fraktionslosen rechtsaußen.
Im Parlament geht man daher davon aus, dass Juncker rund 40 bis 50 Stimmen von Liberalen (68 Abgeordnete) und Grünen (50) braucht, um gewählt zu werden. Das gilt als möglich, aber längst nicht garantiert. Beide Fraktionen hatten sich zwar dafür eingesetzt, dass Juncker von den Staatschefs nominiert wird. Doch ging es dabei nicht um den Kandidaten selbst. Sondern um das Prinzip, dass der Spitzenkandidat der stärksten Partei versuchen dürfen soll, eine Mehrheit im Parlament zu bilden – auch wenn dieser Versuch scheitern sollte.
Am Mittwoch wird bei einem Sonder-Gipfel in Brüssel weiter am EU-Personalpaket (u.a. Außenbeauftrager, Eurogruppenchef) gearbeitet. Wird Juncker heute nicht gewählt, muss als Allererstes ein neuer Kommissionspräsident gefunden werden.