EU-Parlament will nicht länger Wanderzirkus sein
Vom 1000-Milliarden-Haushalt der EU über die Agrarförderungen bis hin zur Regulierung der Bankenwelt – das EU-Parlament hat in allen möglichen Fragen etwas zu sagen. Ausgerechnet in einer, die es selbst betrifft, jedoch nicht: Wo es tagt.
Die EU-Verträge schreiben vor, dass Ausschuss- und Fraktionssitzungen in Brüssel stattfinden. Für zwölf Plenarsitzungen pro Jahr müssen die 766 Abgeordneten mit Sack und Pack, Mitarbeitern und Medien im Schlepptau nach Straßburg pendeln. Geändert werden kann das nur durch einstimmigen Beschluss der EU-Staaten; Frankreich, das den Parlamentssitz Straßburg nicht verlieren will, hat ein Veto.
Vor der EU-Wahl in einem halben Jahr unternimmt das Parlament jetzt einen neuen Versuch: Heute, Dienstag, wird über eine Initiative debattiert, die dem Parlament das Recht zusichern soll, selbst über seinen Sitz zu entscheiden.
180 Millionen pro Jahr
„Die Mehrheit der Europaabgeordneten ist klar gegen den Doppelsitz des Europäischen Parlaments“, sagt SPÖ-Mandatarin Evelyn Regner. Sie erwartet bei der Abstimmung am Mittwoch „ein deutliches Zeichen an die Regierungschefs, dass das EU-Parlament bereit ist, bei sich selbst zu sparen.“ Wie viel der Doppelsitz exakt kostet, darüber wird gestritten. Die „Single Seat“-Initiative einiger Parlamentarier schätzt die Mehrkosten auf 180 Millionen Euro pro Jahr.
Auch die ÖVP-Mandatare werden für die Initiative stimmen, wie Richard Seeber sagt: „Wir sind dafür, dass das Parlament selbst entscheidet, wo es tagt.“ So sehen das auch die Grünen: „Seit vielen Jahren kritisieren wir, wie sinnlos, umweltschädlich und verschwenderisch das monatliche Hin- und Herreisen sowie der parallele Betrieb zweier Parlamentsgebäude sind“, sagt Ulrike Lunacek.
Der Verfassungsausschuss hat schon im Oktober zugestimmt. Die neue Initiative ist die erste, die auch im Plenum Chance auf eine Mehrheit hat: Ob Brüssel oder Straßburg – diese Frage wird noch nicht gestellt. Zuerst soll das Parlament die Macht für die Entscheidung bekommen – und dagegen kann kaum ein Abgeordneter sein.
Als einziger Sitz komme langfristig aber nur Brüssel infrage, wie ein Mandatar sagt: „Das Parlament in Straßburg zu haben, Kommission und Rat aber in Brüssel – das wäre so, als hätte man Wien als Regierungssitz und würde den Nationalrat permanent nach Bregenz verlegen.“