Ringen um Strafen für Asyl-Blockierer
In der EU-Kommission dreht sich alles nur mehr um Flüchtlinge, zum Start der Herbstarbeit ist Hektik ausgebrochen: Jede Idee, der Migrationskrise zu begegnen, wird aufgenommen, um daraus eine gemeinsame Einwanderungsstrategie zu entwickeln.
"Österreichs Vorschlag, EU-Förderungen an eine faire Verteilung der Flüchtlinge zu knüpfen, hat einen Denkprozess angestoßen", sagt die Sprecherin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum KURIER. Die politische Forderung von Bundeskanzler Werner Faymann und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner stoße in Brüssel auf offene Ohren und stärke die Kommission, die genau diesen Vorschlag schon in der Migrationsagenda vom Mai festgeschrieben hat. "In der EU begann vieles mit einer politischen Forderung", betonte ein hoher Beamter.
Sanktionen gefragt
Fest steht, dass die Kommission an Lösungen für die Flüchtlingskrise arbeitet und Länder, die faire Quoten ablehnen, auch beim Namen nennt. Juncker hat am Donnerstag sein ganzes Team an den Genval-See nahe Brüssel verdonnert. Es will dort in abgeschiedener Atmosphäre über finanzielle Hilfen für von Flüchtlingen besonders betroffene Länder beraten. Dazu zählt auch Österreich, das fix damit rechnen kann, demnächst etwas mehr als fünf Millionen Euro für Verpflegung und Unterkunft von Asylwerbern zu erhalten.
Juncker hat an Kommissare appelliert, Gelder freizumachen. Selbst der Topf für Investitionen ist für manche kein Tabu, doch den Zugriff auf sein Prestigeprojekt, mit dem Juncker Jobs schaffen will, lässt er partout nicht zu. Insgesamt hat die EU bis 2020 sieben Milliarden Euro für Asyl eingeplant, für 2014 und 2015 gibt es 76,5 Millionen als Nothilfe, davon haben den größten Teil schon Italien, Spanien, Griechenland und Frankreich abgerufen.
Bei der Klausur will Juncker auch seine Rede an die Union am 9. September in Straßburg abstimmen. Zentraler Inhalt: Flüchtlingspolitik, neue Vorschläge für ein Quotensystem und die Liste sicherer Herkunftsländer.
Die Kommission will künftig auch mit Anreizen arbeiten: So sollen Länder, die Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufnehmen, 6000 Euro pro Kopf an Unterstützung bekommen.
Am 14. September gibt es ein Sondertreffen der EU-Innenminister in Brüssel. Wenn sie scheitern, folgt ein Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs.
"Die Flüchtlingskrise hat definitiv die Finanzkrise abgelöst", stellt ein Diplomat fest.
Premier Sobotka hat am Montag seine Ablehnung eines europäischen Verteilungssystems bekräftigt. Die Flüchtlinge wollten ohnehin nicht nach Tschechien.
Warschau lehnt die Quote ab, weil man selbst ohnehin durch die Flüchtlinge aus der Ukraine unter Druck stehe.
Slowakei
Die Regierung Fico betont, dass die EU ohnehin in der Flüchtlingsfrage "absolut versagt" habe und viel zu viele Menschen aufnehme. Außerdem sei die slowakische Gesellschaft schon mit der Integration der Roma-Minderheit (etwa 600.000 Menschen) überfordert.
Baltikum
Estland, Lettland, Litauen sehen sich finanziell und organisatorisch überfordert.
Die EU-Kommission könnte noch im Lauf des Montag Finanzhilfen an Österreich, Ungarn, Frankreich und Griechenland zur Bewältigung von Flüchtlingsströmen beschließen. Außerdem kündigte eine Sprecherin an, dass Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Herbst einen Gesetzesvorschlag für sichere Herkunftsländer präsentieren werde.
Österreich hat in Brüssel Nothilfe in Höhe von 5,4 Millionen Euro zur Bewältigung der Flüchtlingsproblematik beantragt. Das Geld soll in die Finanzierung der Grundversorgung fließen, also in Unterkünfte und in die Verpflegung von Asylsuchenden. Die EU-Kommission hat zugesichert, den Antrag Österreichs bis Monatsende zu prüfen.
Druck auf Blockierer
Die Brüsseler Behörde unterstrich auch mehrmals, dass zuletzt geäußerte Vorschläge von Staaten zur Flüchtlingskrise von der Kommission schon im Mai auf den Tisch gelegt worden seien. Zur Forderung von Österreichs Kanzler Werner Faymann (SPÖ), den Druck auf jene Staaten zu erhöhen, die sich gegen eine fairere Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU Widerstand leisten, erklärte der Sprecher, solche Vorschläge seien in dem Kommissionspapier bereits enthalten. Zur Überraschung der Kommission habe es kritische Stimmen gegeben, „Sommerstimmen gegen die Kommission“, die anscheinend vergessen hätten, dass die Brüsseler Behörde solche Vorschläge bereits präsentiert habe.
Brücken statt Zäune
Juncker selbst dürfte bei seiner Rede zur Lage der Union Mittwoch nächster Woche im EU-Parlament in Straßburg das Flüchtlingsthema neuerlich in den Mittelpunkt rücken.
Zur Lage in Ungarn und dem nunmehr fertiggestellten Grenzzaun zu Serbien äußerte sich die Kommission neuerlich kritisch. Eine Sprecherin sagte, Juncker habe mehrmals erklärt, dass Grenzzäune nicht die richtige Botschaft für die Nachbarn seien. Zur Überwachung sollten alternative Maßnahmen erwogen werden. Juncker selbst habe erklärt, Europa sei nicht durch Zäune oder Mauern errichtet worden, sondern durch das Bauen von Brücken.