"Boris Johnson wird uns das Leben schwer machen"
Sebastian Kurz kennt Boris Johnson noch nicht persönlich, das wird sich aber bald ändern: Entweder sie treffen einander am Montag beim EU-Außenministerrat in Brüssel – allerdings wollen die Briten offiziell noch nicht sagen, ob Johnson kommt –, oder die beiden Außenminister kommen bei der Anti-IS-Koalition auf Einladung von John Kerry am 21. Juli in Washington DC zusammen.
"Jolly Joker" für Theresa May
In Brüsseler Diplomatenkreisen sind die Reaktionen auf Boris Johnson unterschiedlich. "Man muss den neuen britischen Chefdiplomaten einfach cool nehmen", sagt ein gelassener Kommissionsbeamter. Johnson sei "flexibel, ein Kosmopolit." Einige Gesprächspartner aus nordischen Ländern finden, dass Premierministerin Theresa May mit dem Kopf der Brexit-Bewegung eine "Allzweckwaffe" in Brüssel hat, eine Art "Jolly Joker, den sie beliebig einsetzen kann" – weil der britische Chefdiplomat eben keine fixe Haltung habe. "Chamäleon Boris Johnson wird uns das Leben schwer machen", fürchtet ein Brüssel-Insider. Außerdem haben manche Angst, dass er leichtfertig vertrauliche Gespräche in der Öffentlichkeit kundtun könnte.
Besonders kritisch hat sich nach der Bestellung von Boris Johnson der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault geäußert: "Während der Kampagne hat er die Briten immer wieder angelogen – und jetzt steht er mit dem Rücken zur Wand. Ich brauche ein Gegenüber, mit dem ich verhandeln kann und der eindeutig glaubwürdig ist", sagte Ayrault im französischen Radiosender Europe 1.
Der Außenpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Elmar Brok, hofft, dass Johnson "soviel Verantwortungsgefühl aufbringt, die europäische Bühne nicht zu einer neuen Show-Darbietung zu nutzen, sondern seriös zu arbeiten". Und die Chefin der Grünen im Europa-Parlament, Rebecca Harms, weiß nicht ob sie lachen oder weinen soll. "Ich weiß nur, dass es nicht gut ist, wenn Verantwortungslosigkeit in der Politik belohnt wird."