Politik/Ausland

Einigung: 120.000 Flüchtlinge werden verteilt

Wochenlang wurde auf eine kleine Gruppe osteuropäischer Staaten eingeredet, sich solidarisch an der Aufteilung von 120.000 Flüchtlingen nach einem fairen Quotensystem zu beteiligen. Noch am Dienstag beim Sondertreffen der EU-Innenminister gab es letzte Versuche, bis dem luxemburgischen Außen- und Migrationsminister Jean Asselborn der Kragen platzte. Als Vorsitzender des Innenminister-Rates ließ er über die Aufteilung der Flüchtlinge abstimmen. Die große Mehrheit war dafür, nur Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Rumänien beharrten auf ihrem Nein zur verpflichtenden Aufnahme. "Quote" kommt im Text nicht mehr vor, auch wenn die Zuteilung der Flüchtlinge nach einer Quote erfolgt.

Polen, das von EU-Förderungen profitiert, stimmte nach einem Zick-Zack-Kurs in letzter Minute zu. Finnland enthielt sich der Stimme.

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Doch egal, wie sie votiert haben: Alle EU-Staaten sind an die Entscheidung gebunden und müssen Flüchtlinge aufnehmen, auch Ungarn, betonte Asselborn. Tun sie es nicht, droht ihnen ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Mehrheitsentscheidung gilt als erster Schritt für ein neues, permanentes EU-Verteilsystem.

Mit der Kampfabstimmung haben die Ressortchefs überraschend eine Entscheidung getroffen, die nicht – wie üblich bei heiklen Themen – im Konsens aller Länder zustande kam, sondern lediglich mit qualifizierter Mehrheit.

Unakzeptables "Diktat"

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Und es formiert sich offener Widerstand dagegen: Der slowakische Regierungschef Robert Fico kündigte noch Dienstagabend an: "Lieber gehe ich in ein Strafverfahren gegen die Slowakei, als dass ich dieses Diktat respektiere", betonte Fico. "Es ist noch nie vorgekommen, dass Meinungen, für die Länder rationale Argumente hatten, (...) von einer Mehrheit einfach niedergewalzt wurden, nur weil sie nicht fähig war, einen Konsens zu finden."

Auch aus Prag kam scharfe Kritik. Tschechiens Präsident Milos Zeman sagte: "Die Zukunft wird zeigen, was für ein riesiger Fehler das war."

Für Wirbel beim Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs am Mittwoch in Brüssel ist also gesorgt. Bei der Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen ist eines fix: Aus Griechenland werden 50.400 Asylsuchende und aus Italien weitere 15.600 in den kommenden zwei Jahren auf andere EU-Staaten aufgeteilt. Ungarn hätte 54.000 Flüchtlinge verteilen können, doch Budapest lehnt das ab. Jetzt sollen diese Zahl an Schutzsuchenden auf andere besonders betroffene EU-Länder aufgeteilt werde.

Österreich wird von den 120.000 Flüchtlingen rund 3600 aufnehmen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner war zufrieden. "Es war ein Tag der Entscheidung, wir haben Handlungsfähigkeit gezeigt."

Die EU-Kommission wird neue Hilfsgelder für Flüchtlinge am Balkan und in der Türkei locker machen. Der Flüchtlingsdialog mit der Regierung in Ankara müsse verstärkt und die Hilfe für syrische Nachbarländer, wo rund vier Millionen Kriegsflüchtlinge in Zeltstädten leben, ausgeweitet werden. Das verlangte zuletzt auch Kanzler Werner Faymann.

Effiziente Kontrollen

Die Regierungschefs drängen weiters auf effizientere Kontrollen der Außengrenze und die Einrichtung von Hotspots an der EU-Peripherie. Hier sollen Flüchtlinge registriert und, wenn keine Chance auf Asyl besteht, sofort abgeschoben werden. Von allen Asylwerbern in der EU sind derzeit nur 30 Prozent gelistet. 6000 weitere Flüchtlinge kommen jeden Tag in die EU.

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Weder ein Rechtsruck sei das, noch habe es mit einer Wahl, etwa der in Oberösterreich am Sonntag, zu tun – das versucht ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in Sachen "Asyl auf Zeit" glauben zu machen. Allein der "Zuspitzung der Situation" sei das Begehren seiner Partei geschuldet. Dem widerspricht freilich auch, dass es derzeit nicht viel mehr gibt als die Zuspitzung auf den Slogan – und den grundsätzlichen Plan: Künftig soll nach drei Jahren geprüft werden, ob es den Grund für den Asylstatus, etwa Bürgerkrieg in Syrien, noch gibt. Ist das nicht der Fall, muss der Flüchtling in das Heimatland zurück. Ansonsten wird Asyl zwei weitere Jahre gewährt. Das will auch die SPÖ.

Bedeutet das, dass bei "Asyl auf Zeit" die Familie nicht mehr nachgeholt werden darf? Der wahlkämpfende oberösterreichische ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer sieht das so. Von den Bundesregierenden gibt es dazu nichts Klares. SPÖ-Kanzler Werner Faymann befindet: "Asyl auf Zeit hat keinen direkten Zusammenhang damit." Mitterlehner sagt: "Was die Finanzierung, den Familiennachzug und Sozialleistungen anbelangt, haben wir noch keine gemeinsame Gesprächsgrundlage." SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer wiederum meint, bei "Asyl auf Zeit" sei Schluss damit, enge Angehörige zu sich zu holen: "Ich gehe davon aus, dass das ein Teil der Konsequenz ist. Es wäre eine logische Konsequenz." Bereits einig sind sich Faymann und Mitterlehner über den Zweck von "Asyl auf Zeit": Zu signalisieren, dass viele Flüchtlinge nicht mehr unbefristet in Österreich bleiben können.