Finanzhilfe für Zypern besprochen
Nach einem langen Tauziehen haben die Euroländer beim EU-Gipfel in Brüssel Schritte in Richtung eines Hilfsprogramms für das pleitebedrohte Zypern besprochen. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem kündigte am Donnerstag an, das Paket werde einen Umfang von rund zehn Milliarden Euro haben. Thema bei dem Gipfel war auch die Uneinigkeit der EU bei der möglichen Aufhebung des Waffenembargos gegen Syrien und der Bewaffnung der Rebellen dort, sowie die umstrittene ungarische Verfassungsreform.
Eine Einigung auf ein Zypern-Paket blieb auch nach den Gipfelgesprächen am Freitag unsicher. Bundeskanzler Werner Faymann (S) und Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker zeigten sich enttäuscht, dass die Finanzhilfen für Zypern bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone nach den gemeinsamen Gesprächen aller EU-Staaten nicht zur Sprache kamen. "Wir haben völlig unverständlicherweise heute Abend nicht darüber beraten", sagte Juncker Freitagfrüh vor Journalisten.
Die Finanzminister der 17 Euro-Länder wollten sich am Freitagnachmittag unmittelbar nach Abschluss des Gipfels treffen, um die Hilfskredite für Zypern grundsätzlich zu vereinbaren. Vor einer endgültigen Entscheidung müssen noch einige nationale Parlamente befragt werden.
"Da ist Zypern von dem, was ich rechtsstaatlich in Ordnung finde, weit entfernt"
Vorbehalte bei der Finanzhilfe für den Mittelmeerstaat gibt es vor allem wegen der Größe des dortigen Finanzsystems und fehlenden Maßnahmen gegen Geldwäsche. "Da ist Zypern von dem, was ich rechtsstaatlich in Ordnung finde, weit entfernt", erklärte Faymann. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wies darauf hin, dass der Bericht der Geldgeber-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds IWF noch nicht vorliege. Zügige Beratungen seien wünschenswert. "Aber die Dinge dauern so lange, bis sie qualitativ vernünftig gelöst sind."
Vertreter Zyperns drängten hingegen auf eine rasche Entscheidung. Ein Abkommen müsse noch in diesem Monat stehen, betonte der zypriotische Zentralbankchef Panikos Demetriades gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Es drohte eine "systemische Gefahr", werde das Bankensystem des Inselstaates nicht rasch gerettet. Zyperns erst vor wenigen Wochen gewählter Präsident Nikos Anastasiadis sagte vor Beginn des EU-Gipfels am Donnerstag, er hoffe auf einen Abschluss der Gespräche beim Treffen der Euro-Finanzminister am Freitag.
Thema in Brüssel war auch die langsame wirtschaftliche Entwicklung Europas. Als Gegenmaßnahme soll die EU-Kommission nun bestehende Regulierung abbauen. Die Kommission wurde vom Gipfel beauftragt, ihr Programm für "regulatorische Fitness" (REFIT) heranzuziehen, um Gesetzgebungsakte zu identifizieren, die nicht mehr in Verwendung sind, sowie die existierende Rechtsmaterie durch Vereinfachung zu konsolidieren. Davon erhoffen sich die EU-Staaten mehr Wettbewerbsfähigkeit.
Die deutsche Kanzlerin drängt in diesem Zusammenhang erneut auf eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik. "Ein zentraler Punkt ist, dass sich über viele Jahre zum Teil Fehlentwicklungen ergeben haben bezüglich der Entwicklung der Produktivität und der Löhne. Und daraus ist heute das große Problem der Arbeitslosigkeit geworden", sagte Merkel. Es müssten bei dem EU-Gipfel im Juni in einer Reihe von Politikfeldern verbindliche Absprachen zwischen den Euro-Ländern und der Kommission verabredet werden.
Waffenhilfe für syrische Rebellen?
In der heiklen Frage der Waffenhilfe für die syrischen Rebellen zeigte sich der EU-Gipfel nach einem Vorstoß Frankreichs und Großbritanniens gespalten. Die UN-Vetomächte forderten die Aufhebung des EU-Embargos, um die Gegner des Regimes von Bashar al-Assad unterstützen zu können. Die EU-Staaten sollen am 31. Mai über eine Verlängerung des Waffenembargos entscheiden. Stimmen nicht alle EU-Länder für eine Verlängerung, läuft das Embargo aus.
Deutschland und auch Österreich (siehe weiter unten) wiederholten ihre Vorbehalte dagegen. Es bestehe die Gefahr, dass Waffenlieferungen an die Rebellen dazu führten, dass auch das Regime mit mehr Waffen versorgt werde, sagte Merkel. Deutschland sei aber bereit zu neuen Gesprächen. Faymann erklärte, er erwarte keine Aufhebung des Embargos und sprach sich gegen Waffenlieferungen aus. "Mit Waffen und Waffenlieferungen löst man keine Probleme", so der Bundeskanzler. Eine Bewaffnung der Rebellen wäre auch der Sicherheit der österreichischen Blauhelme am Golan abträglich.
Ungarn erntet Kritik
Die ungarische Regierung wurde in Brüssel wegen erneuter Änderung der Verfassung kritisiert. EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso teilte Ungarns Premier nach eigenen Angaben bei einem Treffen am Rande des Gipfels seine "Besorgnis" über die Modifizierung des Grundrechts mit. Die Kommission werde alle zu Verfügung stehenden Instrumente bei der Überwachung der ungarischen Vorgänge prüfen. Merkel warnte Orban und seine Regierungspartei Fidesz davor, ihre Zweitdrittelmehrheit im Budapester Parlament zu missbrauchen.
Durch die Verfassungsänderung werden in Ungarn unter anderem alle Entscheidungen des Verfassungsgerichts seit 2012 ungültig. Zudem darf sich das Gericht bei Gesetzen nur noch mit Verfahrensfragen und nicht mehr mit dem Inhalt beschäftigen. Die EU-Kommission fürchtet, dass durch die neue Verfassung unter anderem die Pressefreiheit, die Unabhängigkeit der Zentralbank und des Justizwesens sowie anderer staatlicher Institutionen eingeschränkt werden.
Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit
Außerdem mussten die EU-Granden Donnerstagabend die neuesten Wirtschaftszahlen von Kommissionspräsident José Manuel Barroso über sich ergehen lassen: Rezession in fast allen Ländern und kaum Aussicht auf Besserung. Jeder achte Arbeitnehmer ist ohne Job, 30 Millionen Arbeitslose werden 2014 erwartet. Besonders schlimm ist die Jugendarbeitslosigkeit, die Ende 2012 in der Union bei 24 Prozent lag. „So lange so viele Menschen ohne Arbeit sind, gibt es keine Entspannung der Krise“, sagte Bundeskanzler Werner Faymann.
Die EU-Gipfelerklärung sieht dann auch als prioritären Punkt den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit vor. Darüber hinaus soll angesichts der Stagnation der Wirtschaftsleistung auch in der Vorausschau für 2013 ein geeigneter Mix von Ausgaben und Steuereinnahmen einschließlich kurzfristiger Maßnahmen ergriffen werden, um Wachstum und die Schaffung von Jobs zu forcieren, vor allem für Jugendliche.
SP-Bundeskanzler Werner Faymann erwartet keine Waffenlieferungen der EU an die Opposition in Syrien und keine Aufhebung des geltenden Embargos. Faymann sagte am Donnerstagabend nach den EU-Gipfelberatungen in Brüssel, Österreich sei gegen derartige Waffenlieferungen. "Mit Waffen und Waffenlieferungen löst man keine Probleme", sagte er
Österreich wäre auch wegen der Sicherheit der am Golan stationierten UNO-Soldaten betroffen, sagte der Bundeskanzler. Waffenlieferungen würden die Sicherheit der Soldaten nicht verstärken. "Es stellt sich immer wieder die Frage, ob unsere Blauhelme ausreichend geschützt sind", sagte Faymann. Er gehe aber davon aus, dass es zu keinen Waffenlieferungen der EU-Staaten komme, sondern im Gegenteil die Sicherheit für die UNO-Soldaten verstärkt werde.
Zur Gipfeldiskussion über die umstrittene Verfassungsänderung Ungarn sagte Faymann, Ministerpräsident Viktor Orban habe klargestellt, dass er die Zusammenarbeit mit den europäischen Institutionen voll und ganz respektiere. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso habe versichert, dass die EU-Kommission die Lage prüfe. Es sei gut, dass es Gemeinschaftseinrichtungen gebe, und die Prüfung nicht von Nachbar zu Nachbar erfolge.
UNO-Resolution
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat seine bisherige tiefe Spaltung im Syrien-Konflikt überwunden und erstmals einstimmig eine Resolution zu dem Konflikt verabschiedet. Das Gremium zeigte sich "zutiefst" besorgt über Gewalt an der Grenze Syriens zum Libanon, wie Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin mitteilte. Es verurteilte demnach "das wiederholte Feuer über die Grenze hinweg, das zu Tod und Verletzungen in der libanesischen Bevölkerung führt". Auch das Überschreiten der Grenze durch Streitkräfte, Waffenhandel und Entführungen verurteilte der Sicherheitsrat.