EU gibt nach - oder harter Brexit! Boris Johnsons letzter Poker
Von Konrad Kramar
Nichts geht mehr. Seit Wochen kommen die Verhandlerteams Londons und der EU in entscheidenden Streitfragen nicht vom Fleck. Auch der jüngste EU-Gipfel hat keine Fortschritte gebracht. Jetzt spielt der britische Premierminister Boris Johnson va banque - wieder einmal. In einer TV-Ansprache am Freitag formulierte Johnson seine Drohung klar und unmissverständlich: "Entweder es gibt eine grundlegende Änderung in der Haltung der EU, oder es gibt keinen Deal." Im Klartex hieße das, Großbritannien verlässt - nach Ende der Übergangsperiode - am 31.12. endgültig die EU, und zwar ohne Vertrag. Damit wären die Beziehungen zwischen Großbritannien und seinem wichtigsten Handelspartner, der EU, auf dem Status einer beliebigen Bananenrepublik. Gültig wären nur die grundlegenden Regeln der Welthandelsorganisation WHO. Damit wäre Europas zweitgrößte Wirtschaftsmacht vom Rest des Kontinents abgekoppelt. Im Mittelpunkt des Konflikts stehen vor allem der Streit um Fischereirechte in der Nordsee und die Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland und die damit verbundenen Regelungen für In- un Exporte.
Vorbild Australien
Großbritannien hat in den Verhandlungen immer das sogenannte Kanada-Modell mit der EU angepeilt. Das heißt, enge wirtschaftliche Beziehungen, die auch in weiten Bereichen freien Handel ermöglichen, aber kein komplettes Freihandelsabkommen. Da die EU dies aber ablehnt, steuert Großbritannien das "australische Modell" an. Das ist allerdings kaum anders als ein harter Brexit, engere wirtschaftliche Beziehungen und Handelserleichterungen sind da nur in wenigen Detailbereichen vorgesehen.
EU will weiter verhandeln
Die Europäische Union will weiter mit Großbritannien über einen Handelspakt nach dem Brexit verhandeln - obwohl Johnson von einem Scheitern ausgeht. „Wie geplant wird unser Verhandlungsteam nächste Woche nach London fahren, um die Verhandlungen zu intensivieren“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag auf Twitter. „Die EU arbeitet weiter an einem Deal, aber nicht zu jedem Preis.“