EU-Erweiterung: Skepsis sinkt, aber Euphorie sieht anders aus
Mit Bosnien-Herzegowina können sich die Österreicher offenbar am besten anfreunden: Unter den sechs Westbalkanländern, die sich für eine Aufnahme in die EU positionieren, genießt die Mitte der 90er-Jahre vom Krieg schwer getroffene Balkanrepublik die größte österreichische Zustimmung für einen potenziellen Beitritt: 31 Prozent der Befragten wären dafür, wie die jüngste, von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) in Auftrag gegebene Umfrage ergab. Das erstaunt, zumal Bosnien neben dem Kosovo von den Vorgaben Brüssels für eine Aufnahme am weitesten entfernt ist.
Allerdings: Noch mehr Österreicher – 36 Prozent – lehnen einen EU-Beitritt Bosniens ab. Dasselbe Stimmungsbild gilt für alle potenziellen (Kosovo, Bosnien) und echten Kandidatenländer (Serbien, Montenegro, Mazedonien, Albanien): Die Zustimmung der Österreicher bleibt niedrig. „Interessant ist aber, dass nunmehr die Ablehnung einzelner Länder teils stark rückläufig ist“, sagt Paul Schmidt, Generalsekretär der ÖGfE. So sank etwa das kategorische Nein der Österreicher zu einem EU-Betritt Bosniens und Kosovos sei 2012 um je rund 20 Prozentpunkte. Dies könnte laut Schmidt auch darauf zurückzuführen sein, „dass sich Österreich kontinuierlich als aktiver Partner des Beitrittsprozesses positioniert“. Auch während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes in der zweiten Jahreshälfte soll die geplante Aufnahme der Westbalkanländer eines der Schwerpunktthemen sein.
Beitrittsgespräche
Der Weg zum Beitritt ist aber noch weit. 2025 nennt die EU-Kommission als frühest-mögliches Datum – und auch das nur, wenn alle Beitrittskriterien erfüllt sind. Noch ortet die Kommission in ihren Länderberichten, die sie am Dienstag präsentieren wird, in allen Staaten Korruption und Organisierte Kriminalität, mangelnde Rechtsstaatlichkeit und zu geringe Reformanstrengungen.
Dennoch ist Bewegung zu spüren. „Im Licht der erreichten Fortschritte“ wird die Kommission morgen die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien und Albanien empfehlen. Mit Montenegro verhandelt die EU bereits seit sechs Jahren, mit Serbien sei vier Jahren.
Auf Eis liegen hingegen die Beitrittsgespräche mit dem EU-Kandidaten Türkei. In ihrem Länderbericht stellt die Kommission der Türkei punkto EU-Beitrittsreife das bisher schlechteste Zeugnis aus: Schwerwiegende Rückschritte bei der Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Unabhängigkeit der Justiz. Fazit: Neue Verhandlungskapitel werden nicht geöffnet. Abgebrochen, wie dies die Regierung in Wien fordert, werden die Verhandlungen aber nicht. Die Regierung folgt der heimischen Stimmungslage: Einen EU-Beitritt der Türkei lehnen drei Viertel der Österreicher ab.