EU-Charmeoffensive bei TTIP-Gegnern in Wien
Es dient nicht der Sache, dass wir uns mit dem Euro-Austritt Griechenlands beschäftigen, es wird keinen Grexit geben“, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum KURIER. Er schließt dies „zu hundert Prozent aus“, es wird auch „keine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands geben“. Das sei sein „Optimismus“, aber „Griechenland muss sich mehr anstrengen“, ergänzte er bei der Pressekonferenz mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.
Im Stundentakt traf der EU-Regierungschef am Dienstag seine Gesprächspartner: Nach Mitterlehner folgte das Staatsoberhaupt, danach Bundeskanzler Werner Faymann.
Flüchtlingsdrama: "EU muss handeln"
Es ging immer auch um das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer. Alle waren sich einig, die EU muss handeln. Vom EU-Sondergipfel erwarten sich Juncker und Faymann finanzielle Zusagen für die Rettung auf See. Beschlüsse über Flüchtlingslager und Asylzentren in Nordafrika werde es nicht geben. Juncker sprach sich gegen „Lager“ aus. Er plädierte für Asylverfahren, die in den Herkunftsländern der Flüchtlinge stattfinden. Langfristig müsse man „stärker gegen die Ursachen der Flüchtlingsströme bekämpfen“.
Heikel war die Diskussion über das Freihandelsabkommen EU-USA. Österreich gilt als TTIP-skeptisches Land. „Wir nehmen Vorbehalte sehr ernst und wollen einen Austausch mit den Kritikern“, sagte Juncker. So kam es kurzfristig zu einem Treffen mit der Spitze der Grünen, Eva Glawischnig und Werner Kogler. Österreich lehnt private Schiedsgerichte ab. Der Vizekanzler hofft, dass es zu einem Kompromiss kommt, etwa ein „Gerichtshof auf EU-Ebene, der mit Berufsrichtern arbeitet“. Juncker verwies auf die Verhandlungen mit den USA, die transparent seien. „Kurioserweise wird unsere Website mit den Verhandlungsunterlagen nicht oft angeklickt“, stellte er fest. Faymann ist für „freien, aber fairen Handel“, er forderte, dass das TTIP-Abkommen unbedingt vom Parlament ratifiziert werden müsse.
Es ist das zentrale Projekt von Junckers Kommission: Der große „Juncker-Plan“, der Investitionen in Höhe von 315 Milliarden Euro auslösen und so mehr als eine Million Arbeitsplätze schaffen soll. Damit der Investitionsfonds ab Sommer starten kann, muss in den kommenden Wochen zwischen Mitgliedsstaaten und EU-Parlament das Kleingedruckte ausverhandelt werden. Auch wenn niemand den Plan an sich in Frage stellt, sind doch zentrale Fragen offen.
Angefangen bei der Finanzierung: Acht Milliarden „Cash“ kommen aus dem EU-Haushalt, sie werden für Garantien in Höhe von 16 Milliarden verwendet und bilden mit fünf Milliarden der Europäischen Investitionsbank (EIB) das Rückgrat des Fonds, mit dem private Investoren gewonnen werden sollen. Wer zahlt drauf?Die EU-Kommission will diese acht Milliarden aus dem Budget-Topf für Wachstum und Beschäftigung nehmen. Die Parlamentarier aber sind dagegen, Geld von bestehenden Programmen für Forschung und grenzüberschreitende (Verkehrs-)Netze abzuziehen. ÖVP-Mandatar Othmar Karas, der für die Europäische Volkspartei die wirtschaftlichen Fragen verhandelt, plädiert dafür, stattdessen Spielräume im Budget zu nutzen und u. a. nicht verwendete Gelder heranzuziehen.
Offen ist auch, wer in den Lenkungsrat des Fonds kommen soll, der über die Richtlinien für die Projekte entscheidet. Die Mitgliedsstaaten wollen nur Kommission und EIB vertreten sehen; das Parlament will das Gremium für einzahlende Staaten und private Investoren öffnen. Von den bisher 2000 eingereichten Projekten kommen nach erster Durchsicht durch die EIB überhaupt nur 300 für Förderungen infrage. Das Parlament will außerdem sicherstellen, dass aus dem Fonds keine Atomkraft-Projekte gefördert werden.