Pressestimmen: "Erdogan ist unantastbar geworden"
Dernieres Nouvelles d'Alsace (Straßburg):
"Erdogan ist unantastbar geworden und hat nun freie Hand, in Armee und Justiz aufzuräumen, ohne dass ihn irgendjemand im Geringsten zur Rechenschaft zieht."
"Kein Land eignet sich besser für eine Einführung in Geopolitik als die Türkei. Sie sitzt an der Schnittstelle von Ost und West, Nord und Süd, ist eine Brücke zwischen Abendland und Morgenland. Deswegen wirkt eine stabile Türkei als Anker für eine Großregion. Und deshalb treibt die Vorstellung von Instabilität in diesem Land Geopolitikern Sorgenfalten auf die Stirn. Seit Freitag zu Recht, denn der Putschversuch von Teilen der Armee wird das Land langfristig erschüttern. Zwar scheiterte das Vorhaben. Doch nun setzt Erdogan zu großflächigen Säuberungen an, was die Opposition weiter anstacheln wird."
The Sunday Times (London):
"Erdogan bietet sich nun eine Möglichkeit, mit seinem Regime die Menschenrechte und die Meinungsfreiheit noch stärker einzuschränken. Das wird die Türkei weiter vom Ziel einer EU-Mitgliedschaft entfernen, aber es bedeutet auch, dass die NATO-Verbündeten, unter ihnen Großbritannien, gute Miene zum bösen Spiel machen müssen. Die Türkei ist strategisch und politisch wichtig."
Tages-Anzeiger (Zürich):
"Lange Zeit schien es so, dass Erdogan den Machtkampf gegen das Militär für sich entschieden hatte - teils durch spektakuläre Prozesse mehr auf unsaubere als auf saubere Art. Als Erdogan noch mit der Türkei in Richtung Europäische Union strebte, nutzte der die Beitrittsverhandlungen sogar als Hebel, die Streitkräfte in ihren Befugnissen zu beschneiden. Vor einigen Wochen sah es sogar noch so aus, als wolle er wieder einen Schritt auf die Armee zugehen, gab ihr Befugnisse zurück. Wie es aussieht, hat Erdogan sein Militär falsch eingeschätzt."
Rheinpfalz am Sonntag (Deutschland)
"Was da genau in Ankara und Istanbul alles passiert ist, bleibt nebulös. Aber es kommt als gescheiterter Putschversuch daher und kann nur geschehen sein, weil etwas faul ist im Staate Atatürks. Diese türkische Republik ist nicht die Demokratie, die sie sein könnte. Nicht das Vorbild, als das die Regierung in Ankara sie ausgibt. Die Gegnerschaft zur Gülen-Bewegung ist zur Obsession geworden. Wie sehr, das zeigen die gestern mit Macht verfügten Säuberungen."
Berliner Morgenpost:
"Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan war schon bisher für Europa kein einfacher Partner. Nach dem Putschversuch von Teilen des Militärs gilt das erst recht. Wie Erdogan darauf reagieren wird, ist abzusehen: mit noch mehr Härte. Erdogans Kritiker müssen sich warm anziehen, allen voran die Anhänger des Predigers Fetullah Gülen. Damit wird sich die innere Spaltung der Türkei vertiefen - eine Spaltung, die das Land schwächt, Kräfte absorbiert und die Türkei verwundbar macht, wie die Terroranschläge der vergangenen Monate zeigen."
Der Tagesspiegel (Berlin):
"Deutschland und die westlichen Partner können keine Politik für eine Türkei nach ihrem Wunsch machen. Sie müssen Realpolitik mit der existierenden Türkei machen. Die entfernt sich von Demokratie und Rechtsstaat. Sie ist aber NATO-Verbündeter. Gastland deutscher Soldaten. Ein Partner in der Flüchtlingskrise. Millionen Menschen, die in Deutschland leben, haben dort Familie."