Eine Stadt in Rumänien: Im Schweinestall Europas
Von Uwe Mauch
Die beiden Frauen reden auf die junge Frau freundlich, aber sehr bestimmt ein: „Sie müssen Ihre Kinder zur Schule schicken“, betont die Sozialarbeiterin. „Es geht doch um die Zukunft Ihrer Kinder“, fügt die deutsche Ordensschwester hinzu. Und ebenso deutlich: „Wenn die Kinder nicht zur Schule kommen, dann verlieren Sie Ihre Familienbeihilfe.“
Es ist Montagvormittag, die Mutter von fünf Kindern sitzt auf einer schmutzigen Couch in einer ehemaligen Box eines Schweinestalls. Sie selbst kann nicht lesen und schreiben. Sie kann sich auch die Zukunft ihrer Kinder nicht wirklich ausmalen. Andererseits: Welche Zukunft sollen diese Kinder in einem Land haben, das Roma-Familien in die Stallungen einer ehemaligen Kolchose sperrt?
Menschenverachtend
Tatsächlich sind die Stallungen in der ostrumänischen Kleinstadt Roman eine Schande für Rumänien und einer der größten Zynismen und Antiziganismen in der Europäischen Union. Hier werden schon lange keine Schweine mehr gehalten, sondern menschliche „Monster“ produziert. In den vier devastierten Blockanlagen, jede 100 Meter lang und 25 Meter breit, sind seit dem Jahr 2002 Menschen wie Tiere untergebracht.
In Boxen eingepfercht
Der Stadtsenat hat die Roma aus dem Stadtbild von Roman entfernen lassen, angeblich, weil sie sich nicht benehmen können. Sie leben seither in notdürftig abgetrennten Boxen: zu zehnt, zu elft, zu zwölft auf wenigen Quadratmetern und unter katastrophalen sanitären Bedingungen. Es gibt keine Toiletten, keine Waschmaschinen, keine Heizungen, es gibt auch nur einen Wasserhahn für jeweils 500 Bewohner. Was für eine Symbolik!
Zu allem Überdruss nennen die Bewohner von Roman die Siedlung „olympisches Dorf“. Weil sie der deutlich hervorragende Wasserturm an ein olympisches Feuer erinnern will.
„Es gibt für die Untergebrachten keine Perspektive“, klagt die Steyler Missionsschwester Lioba Brand. Der Alkoholspiegel steigt je länger der Tag andauert. Und damit der Aggressionspegel.
Leidtragende der Aggression sind in erster Linie die Kinder. Doch die Polizei von Roman meidet das Dorf, weiß die langjährige Sozialarbeiterin Gabriela Giorgiculesei.
Und auch die Stadtverwaltung schaut weg. Sie hat diese unmenschlichen Zustände nicht nur geschaffen, sie tut auch nichts, um sie zu beseitigen. So werden jene Familien benachteiligt, die an sich bereit wären, sich in der Stadt zu integrieren.
„Nur die Heiligen können uns helfen“, sagt Schwester Lioba. Sie hat zuvor sieben Jahre lang in Neuguinea gearbeitet. „Dort war es nicht schlimmer.“ Gemeinsam mit ihrer rumänischen Kollegin engagiert sie sich für die Schwächsten der Schwachen: die Roma-Kinder von Roman. In einer eigenen Schule, die von einem katholischen Franziskaner-Orden eingerichtet wurde, lernen 55 Roma-Kinder Grundlegendes: nicht nur lesen und schreiben, sondern auch zu grüßen und sich mit Seife das Gesicht zu waschen.
Manchmal hilft es
Ein kleiner Tropfen Hoffnung auf brennheißem Stein. Die beiden Frauen beraten auch die Eltern ihrer Schüler. Und muntern sie unentwegt auf. Das eine oder andere Mal hilft ihr Engagement auch: Am Dienstag kamen die Kinder der gescholtenen jungen Frau wieder einmal zur Schule.
So kann man helfen
Seife, Shampoo, Medikamente, Schreibutensilien – der Wiener Arzt Helmut Euler-Rolle fährt zwei Mal pro Jahr nach Rumänien und hilft auch in Roman. Alle Infos unter http://www.fegerl.at/josef/roman/index.htm.