Politik/Ausland

Donald Trump: Ein Narziss und seine Welt

Als William Doherty im Sommer 2016 ein Manifest verfasste, in dem er Donald Trump die Eignung für das Amt des Präsidenten absprach, war die Resonanz enorm. Der Milliardär, so konstatierte der Psychotherapeut an der Universität von Minnesota nach intensiver Auswertung des Wahlkampfes, "zielt auf Furcht und Wut, erfindet Geschichte neu und hat wenig übrig für die Wahrheit, entschuldigt sich nie und gibt keine Fehler zu, erniedrigt Kritiker, sieht keine Notwendigkeit zu sachlicher Überzeugung, verachtet öffentliche Institutionen wie die Gerichte, wenn sie nicht unterwürfig sind, und stachelt zur Gewalt an".

3000 Seelenkundler- und Therapeuten in den USA unterschrieben und sprachen sich gegen den New Yorker Geschäftsmann aus. Obwohl Ferndiagnosen in Dohertys Zunft eigentlich verpönt sind.

Inzwischen sitzt Trump im Weißen Haus. Seine ersten neun Tage im Amt haben tiefe Spuren hinterlassen. Eiliges Regierungshandeln – Trump unterzeichnet unentwegt präsidiale Erlässe, die einen radikalen Neuanfang suggerieren sollen – wechselt sich ab mit erbitterten Vendetten gegen jene, die an der behaupteten Großartigkeit des 70-Jährigen zweifeln, der sich wie selbstverständlich Attribute wie "phänomenal", "brillant" und "sagenhaft erfolgreich" zuschreibt.

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Doppelt zurückschlagen

Trump macht keine Unterschiede, ob ihn ein Journalist (Jim Acosta, CNN), Hollywood-Star (Meryl Streep) oder Chef-Geheimdienstler (Ex-CIA-Direktor John Brennan) mit der anderen Sicht auf die Dinge konfrontiert. Jeder kriegt es sofort heimgezahlt: "Wenn Du geschlagen wirst", schrieb Trump in einem seiner Bücher, "schlag doppelt so hart zurück."

In seinem Furor gegen Kritiker offenbart sich für Psychologen wie Ben Michaelis ein klarer Befund. "Trump leidet an einer schweren narzisstischen Persönlichkeitsstörung." Kollege John D. Gartner, Psychotherapeut aus Baltimore, der einst in einem Fachbuch das Innenleben Bill Clintons offenlegte, geht weiter. Er hält Trump für "gefährlich psychisch krank" und "charakterlich unfähig", das höchste Amt im Staat auszuüben.

Als Fenster in die Psyche des mächtigsten Mannes der Welt dient professionellen Beobachtern auch Trumps Twitter-Konto, auf das mittlerweile 22,5 Millionen Menschen mit ihrer Aufmerksamkeit einzahlen. Studiert man die Einträge, fällt auf, dass Trump nur zwei Themen kennt: sich selbst. Und seine "Feinde". Ohne mit der Wimper zu zucken, nennt er sich den "größten Job-Produzent, den Gott je geschaffen hat".

"Verlogenste Wesen"

Wer Kritik wagt, kriegt scharfrichterliche 140 Zeichen ab, die oft mehr abschneiden als nur die Ehre. Als die Pop-Diva Madonna mit der auch nicht geschmackvollen Provokation hantierte, aus Protest gegen Trump das Weiße Haus in die Luft zu jagen, handelte sie sich ein "ekelhaft" ein. Ganz unten auf der Skala der Abgewerteten stehen fast alle Journalisten. Trump zählt sie zu den "verlogensten menschlichen Wesen auf der Erde".

Eine besonders anschauliche Kostprobe für seine grenzenlose Selbstliebe lieferte Trump nach seiner Amtseinführung. Oben vom Kapitol aus will er ein "Meer aus Menschen" gesehen haben. "Eine Million, vielleicht 1,5 Millionen, mit Leichtigkeit." Als er später im Fernsehen die Vergleichsaufnahmen zu Obamas Amtseid-Szenerie 2009 sah, setzte das Gift der Kränkung ein. Dass bei ihm entschieden weniger Menschen zusahen als beim ebenso bewunderten wie verhassten Vorgänger, wollte Trump nicht hinnehmen. Er verdonnerte seinen Sprecher dazu, die Überbringer der Botschaft (die Medien) der "schamlosen Lüge" zu zeihen. Die "alternativen Fakten" waren geboren.

Die Gier nach Bewunderung und Bestätigung. Der krankhafte Hang zur Lüge. Die Neigung, ausbleibende Anerkennung automatisch als feindliches Gebaren zu interpretieren, darüber hat Trumps Biograph Michael D’Antonio vor vielen Jahren geschrieben. Was sich seither geändert hat, ist die Rolle der Hauptperson. Trump ist kein Immobilien-Mogul mehr, den man im Zweifelsfall den Klatschspalten überlassen kann. Sondern Präsident der Vereinigten Staaten.

Amtsübertragung

In US-Medien wird bereits zaghaft über den vor 50 Jahren festgeschriebenen 25. Verfassungszusatz debattiert. Dort ist das Prozedere festgelegt, wie die Macht an den Vizepräsidenten übertragen wird, sollte der Präsident "unfähig sein, die Befugnisse und Pflichten seines Amtes wahrzunehmen". Kurz gesagt und natürlich reine Theorie: Trump teilt dem Kongress mit, dass er nicht mehr kann. Dann wird sein Vize Mike Pence mit sofortiger Wirkung "Acting President", also amtierender Präsident – solange bis Trump sich wieder für fit erklärt. Sollte Trump dauerhaft nicht in der Lage sein, sein Amtsunfähigkeit selbst zu beglaubigen (etwa wegen einer schweren Krankheit), kann Pence das für ihn erledigen. Die Mehrheit des Kabinetts müsste dem zustimmen. Wie gesagt: Alles graue Theorie.

Trump hat als "Soziopath" Wahlkampf geführt, schreibt der konservative Kommentator des Weekly Standard, Andrew Ferguson, "und er deutet an, auch als solcher zu regieren".