Politik/Ausland

Pegida: Wo das Ressentiment regiert

"Seit Jahren wird lamentiert und theoretisiert über Politikverdrossenheit. Nun wird die Verdrossenheit politisch", schrieb der Dresdener Autor Heinrich Maria Löbbers vor einem Jahr. Das war zum Höhepunkt von Pegida: Tausende waren damals Montag für Montag durch die Dresdener Innenstadt gezogen, hatten ihren Groll über den Islam, die Zuwanderung, über die Politik im Allgemeinen auf die Straße getragen.

Am ersten Jahrestag der Bewegung wiederholt sich die Geschichte – lauter und radikaler als je zuvor. Vergessen sind der Hitlerbart von Gründer Lutz Bachmann und Querelen um die Ausrichtung – am Montag marschierten geschätzt 20.000 Pegida-Anhänger durch Dresden. "Wir bleiben, um zu siegen", schrie Bachmann seinen Anhängern entgegen. Die johlten in bester Manier.

Den Kontakt verloren

Alle Inhalte anzeigen

Der Grund dafür ist einfach. Seit die Flüchtlingskrise politische Normen außer Kraft gesetzt und die Überforderung des staatlichen Systems offenbart hat, fühlen sich die Spaziergänger bestärkt – und jene, die kein Gehör zu finden glauben, hoffen es dort zu finden. "20 bis 30 Prozent der Deutschen haben den Eindruck, dass die Politik den Bürgerkontakt verloren hat", sagt der Berliner Politologe Timo Lochocki – ein großes Mitläufer-Potenzial.

Dass die Bewegung sich deutlich nach rechts verschoben hat, scheint vielen egal zu sein. Statt "Flüchtlinge" skandiert man jetzt "Invasoren", zeigt Angela Merkel in Nazi-Uniform oder klebt ihren Namen an einen Galgen. Die wieder zu den Demos kommenden Massen johlen dabei – das ist für Lochocki schlimmer als Neonazis, die sich unter die Spaziergänger mischen. "Das Problem sind die, die zuschauen und das akzeptieren. Das ist die deutsche Mittelschicht."

Licht aus

Alle Inhalte anzeigen

Freilich, nicht alle schauten zu. Die Semperoper drehte Pegida demonstrativ das Licht ab, zur Gegendemo kamen gut 14.000 Menschen. Doch auch dort regierte das Ressentiment: Ein Pegida-Demonstrant wurde mit einer Eisenstange niedergeschlagen.

Den Vorfall nutzte Bachmann, um – ganz im Opfer-Gestus – auf die wachsende Kritik zu reagieren. Die Attacke auf den Demonstranten sei ja gleichzusetzen mit der rassistisch motivierten Messerattacke auf die Kölner Bürgermeisterin am Samstag, meinte er – ein Seitenhieb auf Bundesjustizminister Heiko Maas. Der hatte, wie einige andere Bundespolitiker, die moralische Verantwortung für derlei Taten nämlich auch Pegida zugeschrieben. "Pegida sät den Hass, der dann zur Gewalt wird." (Mehr dazu lesen Sie hier).

Worte wie diese hört man in Berlin oft – in Dresden allerdings weniger. Der dortige Bürgermeister schloss sich der Gegendemo nicht an. Er war im Urlaub.

Nach der Kundgebung wurden noch Polizisten mit Böllern beworfen. Die Beamten hatte versucht, eine Demo von Pegida-Gegnern zurückzudrängen.

Die Idee zu der Fahne, die heute auf den Pegida-Demos geschwenkt wird, stammt von Josef Wirmer, einem bürgerlichen Politiker und engen Vertrauten des Hitler-Attentäters, Graf Stauffenberg. Der sah sie als Alternative zur Fahne der untergegangenen Weimarer Republik. Er verwendete zwar dieselben Farben (Schwarz-Rot-Gold) wie deren Fahnen, ordnete sie aber - auch als Ausdruck seines Glaubens - in Kreuzform an. Die Fahne wird in den vergangenen Jahren wiederholt von rechtsextremen Gruppen verwendet.