Schock nach Morden an drei Kurdinnen in Paris
Von Walter Friedl
Drei kurdische Aktivistinnen wurden in Paris gezielt mit Kopf- und Nacken-Schüssen getötet. Der Hintergrund ist noch unklar, die Vorgangsweise der Täter ähnelt dem Terrorakt, der sich 1989 in Österreich ereignet hatte.
Sie war eine legendäre Ikone der „Kurdischen Arbeiterpartei“ PKK, geboren in der türkischen Stadt Tunceli, die von den Kurden Dercim genannt wird: Sakine Cansiz gehörte zu den Gründungsmitgliedern der kurdischen Separatisten-Organisation und hatte ihr ganzes Leben einem freien Kurdistan verschrieben. Inhaftiert in den 1980er-Jahren in der Türkei, trotzte sie Folter und Demütigung und lebt nach ihrer Freilassung zuletzt in Frankreich. In der Nacht auf Donnerstag endete ihr langer Kampf abrupt – die 54-Jährige mit dem Decknamen Sara wurde im Kurdischen Informationsbüro in Paris kaltblütig mit einem Schuss getötet. Ebenso wie zwei weitere Aktivistinnen.
Die drei Frauen befanden sich allein in den Räumlichkeiten, die mit einem elektronischen Türschloss gesichert waren. Als ein Mitarbeiter keinen telefonischen Kontakt mit dem Büro in der Lafayette-Straße herstellen konnte, fuhr er zu der Adresse. Gemeinsam mit anderen Kurden entdeckte er Blutspuren an der Eingangstüre im Obergeschoß. Als die Gruppe die Türe aufbrach, entdeckten sie das Massaker.
Berufskiller-Manier
Die Täter haben den Dreifach-Mord in Berufskiller-Manier ausgeführt. Sie haben sich gut ausgekannt, konnten sich offenbar leicht Zutritt zu dem Büro verschaffen, erledigten ihren tödlichen Job und verließen den Ort des Grauens unerkannt – nicht ohne vorher noch die Türe zu verschließen.
Wer hinter dem Attentat steckt, darüber entfalteten sich am Donnerstag die wildesten Spekulationen. Während ein PKK-Mann Ankara die Schuld zuschob, machte die türkische Regierung unter Premier Recep Tayyip Erdogan PKK-interne Querelen für das Blutbad verantwortlich. Tatsächlich hatte Sakine Cansiz innerhalb der strengen PKK-Hierarchie auch Kritik geäußert. Das könnte ihr bei Hardlinern nun zum Verhängnis geworden sein, meinen türkische Medien. Deren Erklärung: Diese Kräfte wollten die schon relativ weit gediehenen Verhandlungen zwischen Ankara und der PKK für eine friedliche Lösung des Konflikts torpedieren.
Das ist möglich, aber eher unwahrscheinlich. Ebenso hat die aktuelle türkische Regierung ein Interesse, den mit der PKK laufenden Dialog durch eine derartige Tat zu stoppen. Vieles spricht daher dafür, dass radikale Elemente in der türkischen Armee, die im vergangenen Jahrzehnt als Machtfaktor in der Türkei degradiert wurde, hinter den Morden stehen. Diese Kräfte fühlen sich in die Enge getrieben, und sie verfügen immer noch über ausreichend militärische Aufklärung, um so eine Tat auszuführen.
Hinrichtungen in Wien
So wie einst die Regierung in Teheran, deren Agenten am 13. Juli 1989 in Wien zugeschlagen hatten. Damals wurden drei kurdische Aktivisten in Wien ermordet (siehe Faksimile). Die Tatverdächtigen tauchten in der iranischen Botschaft unter und konnten nach Intervention der Mullahs unbehelligt ausreisen. Das sorgte damals für eine Skandal.
In welchem Zusammenhang die Tat mit dem Kurden-Konflikt in der Türkei steht, ist bislang nicht geklärt. Erst vor zwei Tagen berichteten türkische Medien, dass sich die türkische Regierung und der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan auf ein Rahmenwerk zur Lösung des Kurden-Konflikts geeinigt hätten. Demnach ist die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bereit, einer Entwaffnung der Rebellen zustimmen. Im Gegenzug sollen den Kurden mehr Rechte in der Türkei eingeräumt werden, wie die Tageszeitung Radikal am Dienstag berichtete. Tausende Gefangene, denen Verbindungen zur PKK vorgeworden werden, sollen außerdem freikommen.
Eine offizielle Bestätigung des Berichts war nicht zu erhalten. Die Zeitung ging auch nicht genauer auf ihre Quellen ein, ihre Berichte über Kurden-Themen sind aber in der Regeln verlässlich.
Öffentliche Gespräche
Die Verhandlungen zwischen der Regierung und Öcalan wurden vor wenigen Tagen bekannt. Normalerweise finden Gespräche mit der PKK im Geheimen statt. Dass sie jetzt öffentlich eingeräumt wurden, ließ Hoffnung aufkommen, dass eine Lösung zur Beilegung der Gewalt erzielt werden könnte.
Seit 1984 wurden in dem Konflikt zwischen Kurden und der türkischen Regierung 40.000 Menschen getötet. Öcalan wurde 1999 zum Tode verurteilt, 2002 wurde die Strafe in lebenslange Haft umgewandelt. Er hatte 1974 die PKK gegründet, die für politische Autonomie der von Kurden besiedelten Gebiete vor allem im Osten der Türkei kämpft.