Politik/Ausland

Diplomatie in der Hochsicherheitszone

Der massiv geschützte Konvoi von Außenminister Michael Spindelegger brauste am Freitag durch autofreie und fast menschenleere Straßen der afghanischen Hauptstadt Kabul. Aus Furcht vor Terroranschlägen waren alle Routen, auf denen sich die Delegation bewegte, komplett abgeriegelt und geleert worden. Selbst die eigens angereisten österreichischen Cobra-Beamten staunten: So eine Security an neuralgischen Punkten hätten sie noch nie gesehen.

Erste Station: Das EU-Hauptquartier, das hinter meterhohen Betonblöcken eingebunkert ist. Erst nach mehreren Schleusen und Sicherheitskontrollen gelangt man auf das Areal. Zu Recht, erst im Vormonat griffen radikal-islamische Taliban das nur 400 Meter entfernt gelegene Gebäude des afghanischen Geheimdienstes an. „Die Wucht der Bombenexplosion war so heftig, dass meine Fensterscheiben in Bruch gingen“, sagt die Assistentin von EU-Sonderbeauftragtem Vygaudas Usackas zum KURIER.

Dennoch sprach der bei seinem Treffen mit Spindelegger von einer Verbesserung der Sicherheitslage. Schon fast 90 Prozent des schwer kontrollierbaren Landes seien in afghanische Verantwortung übertragen worden. „Die Frage ist allerdings, wie nachhaltig das Ganze ist“, so ein EU-Spitzendiplomat.

Kommandoeinsätze

Vom Sitz der EU fuhr der Konvoi weiter zur Zentrale der Internationalen Schutztruppe ISAF. Stets dabei: Einer der fünf österreichischen Vertreter der EUPOL-Mission, ein Grazer Kriminalbeamter, und einer der drei österreichischen ISAF-Soldaten.

Der Hauptmann des Jagdkommandos Wr. Neustadt ist für Spezialeinsätze vorgesehen - und will daher anonym bleiben. Sechs bis acht Terrorzellen hebt der Offizier aus Gmunden laut eigenen Angaben mit seinem Team und afghanischen Kräften pro Tag im Großraum Kabul aus: „Wir greifen potenzielle Ziele nicht mit Raketen an, denn das könnte Nachbarn gefährden, sondern holen uns die führenden Köpfe gezielt heraus, das ist die effizienteste Methode.“

Spindelegger zu dem rot-weiß-roten Soldaten, der nach sechsmonatigem Einsatz hier schon für Mali vorgesehen ist: „Sie sind unser Mann, auf den wir stolz sind.“

Der Sprecher der ISAF, der deutsche General Günter Katz, war bemüht zu versichern, dass es nur noch vereinzelte El-Kaida-Terroristen gebe. „Das Netzwerk hier ist zerstört.“ Schwieriger sei es mit den Aufständischen, allen voran den Taliban. Katz schätzt die Stärke der Rebellen auf 20.000 bis 30.000 bewaffnete Kämpfer. Aus den Städten seien sie vertrieben worden, ihre Rückzugsgebiete würden immer kleiner. Vor allem der Süden des Landes sei noch problematisch. Der geplante Abzug fast aller internationaler Soldaten Ende 2014 könne wie geplant über die Bühne gehen. Genau das aber ist die große Angst vieler Afghanen, wie man hier allerorts hört, sie befürchten eine Rückkehr ins Chaos.

Aus diesem Grund sollen einige Tausend ausländische Kräfte im Land bleiben, und die EU sowie die UNO sollen ihre Aktivitäten fortführen – insbesondere im Bereich des weiteren Ausbaus und Trainings der Polizei und der Stärkung der Menschenrechte. Spindeleggers erstes Resümee: Das Land habe noch jede Menge Probleme, „aber es hat eine Chance“.