Politik/Ausland

Diktatur, Revolution oder Diplomatie - wie es in Venezuela weiter geht

Am Ende des Tages sind es insgesamt sechs Statuen von Hugo Chavez, die die wütenden Menschen in verschiedenen Städten Venezuelas vom Sockel reißen. Fällt eine der Skulpturen, die den ehemaligen Revolutionsführer zeigt, ist der Jubel groß. Nach dem 2013 gestorbenen Chavez ist der „Chavismus“ benannt, der das Land seit 1999 beherrscht. Auf dem Krankenbett erklärte er Nicolas Maduro zu seinem Nachfolger.

Auch andere Clips in den sozialen Netzwerken schaffen es zur millionenfacher Ansicht: Wenn Angehörige der Sicherheitskräfte ihre Uniform ausziehen und sich den Demonstranten anschließen.

Sicher ist: Nach dem hoch umstrittenen und international angezweifelten Wahlsieg des sozialistischen Amtsinhabers Nicolas Maduro bröckelt dessen Machfundament. Ob es auch zusammenbricht, ist nur schwer vorhersagbar. Im Moment nutzt die Opposition den Rückenwind der internationalen Unterstützung nach Überprüfung des Wahlergebnisses durch unabhängige internationale Experten und mobilisiert die Straße. Doch wie geht es nun weiter?

Szenario 1: Diktatur

Bisher hat sich das Maduro-Regime stets dazu entschlossen, die Repression zu erhöhen, wenn die Opposition Demonstrationen organisierte. Die Sozialproteste 2014 wurden niedergeschlagen und niedergeschossen. Auf die klare Wahlniederlage 2015 bei der Parlamentswahl reagierte Maduro mit der Ersetzung des Parlaments durch eine verfassungsgebende Versammlung mit linientreuen Abgeordneten. Nahezu alle prominenten Oppositionspolitiker mussten das Land verlassen.

Zudem greift Maduro immer wieder zu Gewalt, lässt die gefürchteten „Colectivos“ auffahren. Motorisierte paramilitärische Schlägerbanden – im offiziellen Sprachgebrach – zivil-militärische Kräfte – verbreiten dann mit Schüssen in Richtung von Demonstrationen Angst und Schrecken. Dabei kommt es immer wieder zu Todesfällen. 

Dass sich Maduro demonstrativ mit seinem Verteidigungsminister Vladimir Padrino Lopez und Diosdado Cabello, dem Befehlshaber der Colectivos traf, zeigt das er diese militärische Option des Machterhalts mindestens in Erwägung zieht. Dazu passt auch, dass der regierungsnahe Generalstaatsanwalt Ermittlungen gegen die starke Frau der Opposition Maria Corina Machado einleiten will.

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Von regierungskritischen Lager im Land inzwischen wie eine Heilige verehrt, geht von ihr die größte politische Gefahr für Maduro aus. Es ist davon auszugehen, dass er versuchen wird, sie entweder ins Exil zu zwingen oder verhaften zu lassen. Auch ihr physisches Überleben dürfte in Gefahr sein. 

Szenario 2: Revolution

Der erste Tag nach dem umstrittenen Wahlergebnis war vor ein Tag der Wut und Verzweiflung. Im ganzen Land gingen Hunderttausende Menschen auf die Straße, obwohl es dazu noch keinen zentralen Aufruf gab. Aber als die Hoffnung platzte auf friedlichen und demokratischen Weg einen politischen Wechsel zu vollziehen und trotz anders lautender Nachwahlbefragungen und Umfragen plötzlich Maduro zum Sieger erklärt wurde, mobilisierte das die Massen. Noch einmal sechs Jahre unter diesem Präsidenten, das ist für große Mehrheit des Landes keine Option. 

Acht Millionen Menschen sind schon geflüchtet, ein Viertel der Bevölkerung. Weitere Millionen sitzen auf gepackten Koffern. Es sei denn, es gelingt nun mit Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft die Überprüfung der Stimmenauszählung durch unabhängige Kräfte durchzusetzen. „Wir haben eine Möglichkeit, die Wahrheit über die Wahlen in Venezuela zu beweisen“, sagt Maria Corina Machado. Sie wird, solange sie in Freiheit bleibt, die Straße mobilisieren.

Oppositionskandidat Edmundo Gonzalez wurde zum gewählten Präsidenten des Landes erklärt. In den sozialen Netzwerken und auf der Straße kämpfen nun Hunderttausende Venezolaner für die Durchsetzung dieses Ergebnisses.

Entscheidend wird sein, wie sich die Armee und die Polizei verhält, schießt sie auf die eigene Bevölkerung oder schließt sie sich der Demokratiebewegung an. Legt sie die Waffen nieder, ist Maduro nicht mehr zu halten.

Szenario 3: Diplomatie

Schon jetzt deutet sich an, dass ein Großteil der lateinamerikanischen Länder einen Wahlsieg Maduros auf Basis des am Sonntag verkündeten Ergebnisses nicht anerkennt. Insbesondere für die drei bevölkerungsreichen demokratisch-links regierten Länder Brasilien, Kolumbien und Mexiko, deren Präsidenten Lula da Silva, Petro und Lopez Obrador in der Vergangenheit Maduro nahestanden, wird der Venezolaner zunehmend zu einer Belastung. 

Einerseits müssten sie sich auf eine neue Migrationswelle aus Venezuela einstellen, andererseits würde eine Unterstützung Maduros ein Geschenk an ihre innenpolitische rechtsgerichtete Opposition.

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Ohne deren Unterstützung fehlt ihm aber die Legitimation im eigenen politischen Lager. Sie suchen nach einer gesichtswahrenden Lösung, die einerseits das linke Politikprojekt in Venezuela nicht gänzlich untergehen lässt, andererseits aber auch einen Abtritt Maduros beinhaltet.