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Die Türkei drei Jahre nach dem Putschversuch: Mehr als 500.000 Menschen wurden festgenommen

Zum Gedenken an den Putschversuch in der Türkei vor drei Jahren eröffnen in Istanbul und Ankara zwei Museen. Das Gebäude in Istanbul liegt auf der asiatischen Seite an der ersten Brücke über den Bosporus und soll an diesem Montag eröffnet werden. Das zweite Museum in Ankara ist nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu von Dienstag an für Besucher zugänglich.

In den Museen werden nach Medienberichten unter anderem durch Fotografien und Videoinstallationen die Abläufe des Putschversuchs vom 15. Juli 2016 dargestellt. In Istanbul sind demnach auch persönliche Gegenstände der Opfer ausgestellt.

Bei dem Umsturzversuch kamen mehr als 200 Menschen ums Leben. Allein auf der ersten Brücke über den Bosporus, die inzwischen "Brücke der Märtyrer des 15. Juli" heißt, starben 32 Zivilisten und zwei Polizisten. Außerdem wurden mindestens zwei Militärschüler auf der Brücke getötet.

Präsident Recep Tayyip Erdogan wollte am Abend eine Rede am ehemaligen Flughafen Atatürk in Istanbul halten. Auch die Teilnahme des oppositionellen Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu ist geplant. Putschisten hatten den Airport in der Nacht des Umsturzversuches vorübergehend besetzt. Erdogan macht den in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich.

Erdogan hatte kurz nach dem Umsturzversuch den Ausnahmezustand ausgerufen, der seither sieben Mal verlängert wurde und erst im Juli 2018 endete.

15. und 16. Juli 2016: Der Putschversuch in Bildern

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Die Türkei drei Jahre nach dem Putschversuch

Die Regierung ging mit Entlassungen und Verhaftungen gegen angebliche Putschisten, aber auch gegen Journalisten und Menschenrechtler vor. Noch immer gibt es wöchentliche Razzien gegen angebliche Gülen-Anhänger und zahlreiche Prozesse gegen mutmaßliche Putschisten laufen noch. Ein Überblick in Zahlen:

  • Entlassungen: Rund 129.000 Staatsbedienstete sind nach offiziellen Angaben wegen angeblicher Verbindungen zum Putschversuch gefeuert worden, unter ihnen zahlreiche Akademiker. Eine Kommission, bei der Beschwerde eingelegt werden kann, hat zwar mehr als 3000 Betroffene wieder eingesetzt, die Gesamtzahl der Entlassenen beläuft sich aber noch immer auf rund 126.000. Am stärksten betroffen sind die Ministerien Inneres (mehr als 41.000 Entlassungen) und Bildung (rund 34.000 Entlassungen).
    Nach Angaben von Erdogan sind mehr als 31.000 Mitarbeiter der Polizei vom Dienst enthoben, demnach verloren außerdem mehr als 15.000 Militärangehörige und mehr als 4000 Juristen ihren Job.
  • Prozesse und Haft: Insgesamt sind seit dem Putschversuch nach Regierungsangaben vom März rund 500.000 Menschen wegen angeblicher Gülen-Verbindungen vorübergehend festgenommen worden. 30.000 von ihnen sind noch in Haft. Insgesamt wurden nach Informationen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu 265 Prozesse gegen angebliche Putschisten abgeschlossen, 24 Verfahren laufen weiter. Gegen mehr als 2000 Angeklagte verhängten die Gerichte demnach eine lebenslange Freiheitsstrafe.
    Unter den Verurteilten sind ehemalige Top-Militärs wie der Ex-Kommandeur der türkischen Luftwaffe, Akin Öztürk. Er erhielt im Juni 141 Mal lebenslänglich. Öztürk war nach Gülen selbst der zweite Hauptverdächtige: Er soll einem Gremium vorgestanden haben, das die beteiligten Soldaten in der Putschnacht koordiniert haben soll.
  • Medien: Nach dem Putschversuch ließ Erdogan per Dekret mehr als 100 Medien und Verlage schließen. Zahlreiche Journalisten sitzen außerdem im Gefängnis, viele davon ohne Anklage in Untersuchungshaft. Die Angaben über die Zahl der inhaftierten Reporter gehen auseinander. Die Nichtregierungsorganisation P24 zählt mindestens 140 Journalisten und Medienmitarbeiter im Gefängnis. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen sind zurzeit 34 Journalisten inhaftiert. Die Organisation erklärt jedoch, dass in vielen weiteren Fällen ein Zusammenhang zwischen Inhaftierung und Journalismus wahrscheinlich sei, dieser aber nicht nachgewiesen werde könne. Grund sei, dass die Betroffenen und Anwälte oft gar nicht wüssten, was der genaue Vorwurf sei.