Politik/Ausland

Die Schande von Charlottesville

"Wir müssen das Übel beim Namen nennen", polterte Orrin Hatch, der für seine unerschütterliche Gleichmut bekannte republikanische Senator aus Utah. "Mein Bruder hat nicht sein Leben im Kampf gegen Hitler gegeben, damit hier Gedankengut der Nazis ohne Widerstand akzeptiert wird."

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Was Hatch nach dem blutigen Aufmarsch Tausender Rechtsextremer in Charlottesville im Bundesstaat Virginia vom Stapel ließ, war eine direkte Replik auf Donald Trump. Denn während Politiker aller Parteien die Attacke eines 20-jährigen Ultra-Nationalisten ausdrücklich verurteilten, kam von Trump nur lasche Kritik.
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Mit einem Dodge Charger-Sportscar war James Alex Fields am Samstag gegen 14 Uhr in eine Gruppe linker Gegendemonstranten gefahren, verletzte fast zwanzig Menschen, darunter die 32-jährige Anwaltsgehilfin Heather Heyer tödlich. "Es war wie in einem Action-Film", gaben Augenzeugen zu Protokoll: "Menschen flogen wie Puppen durch die Luft, überall Schreie und Blut." Nach seiner Amokfahrt legte Fields den Rückwärtsgang ein und versuchte zu fliehen. Nach wenigen Metern folgte die Festnahme.

Absolution für Rechte?

Und Präsident Trump? Er beklagte unscharf einen "Ausbruch von Hass, Fanatismus und Gewalt auf vielen Seiten". Die nachsichtige Wortwahl wurde umgehend als Absolution interpretiert. Richard Spencer, Galionsfigur der offen rassistischen "Alt-Right"-Bewegung, lobte den Präsidenten dafür. David Duke, ehemals Führer des Rassisten-Verbandes Ku-Klux-Klan, sagte im Beisein des KURIER-Reporters: "Das hier heute ist der erste Schritt, zu dem, was Donald Trump versprochen hat – wir holen uns Amerika zurück."

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Mary Sullivan hatte die Katastrophe, bei der auch ein Hubschrauber abstürzte und zwei Polizisten starben, kommen sehen. Die Kinderkrankenschwester war schon im Juli vor Ort, als die Kapuzenträger vom Ku-Klux-Klan an der Reiter-Statue von Südstaaten-General Robert E. Lee im "Emancipation"-Park in Charlottesville aufbegehrten. Der Stadtrat hatte im Frühjahr entschieden, dass die Symbolfigur der im Bürgerkrieg unterlegenen Konföderierten (ein Befürworter der Sklaverei) abmontiert und verkauft wird. "Die Stimmung war schon damals gewalttätig. Den Leuten ging es nicht um General Lee. Sie suchten einen Vorwand, um ihr Gedankengut vorzuführen."

So wie an diesem Samstag. Bereits am Vorabend hatten Neonazis mit Fackeln den Uni-Campus gestürmt, skandierten Parolen wie: "Ihr Juden werdet uns nicht ersetzen" und "Blut und Boden" und droschen auf Gegendemonstranten ein.

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Am Samstag spitzte sich der Tumult zu. Die Polizei blies die gerichtlich genehmigte Demonstration kurzerhand ab und drängte die Rechtsextremen zum Verlassen. Was folgte, waren blindwütige Prügeleien und Schreiduelle.

Leute wie Shane Gadbury waren mittendrin. Der 38-Jährige war 15 Stunden aus Iowa nach Charlottesville gefahren, um zu demonstrieren. Die Statue von Lee ist ihm gleichgültig. "Wir Weißen werden in diesem Land diskriminiert und schikaniert, darum bin ich hier." Woher er das hat? "Trump hat ein Ventil geöffnet. Er steht für uns ein. Seine ,America First‘-Politik ist genau mein Geschmack."

Unter den Neonazis, die im Zuge der Tumulte das Weite suchten, das belegen Handy-Videos, war auch ein pausbäckiger Typ mit Dreitage-Bart und gut erkennbarem Holzschild: James Alex Fields, Sympathisant der rechtsextremistischen Gruppe "Vanguard America".

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Was er dann mit seinem Auto anrichtete, schockierte das ganze Land. Fields wird heute Montag dem Haftrichter vorgeführt. Ihm drohen zusammen mit anderen Delikten weit über 20 Jahre Gefängnis.

Zu all dem von Donald Trump bis gestern: kein einziges klares Wort.