Drama in Rot: Warum die SPD an sich selbst scheitert
Von Evelyn Peternel
"Freut euch nicht zu früh. Uns kriegt ihr nicht klein!"
Martin Schulz kämpft und kämpft und kämpft. Die leise Ironie des Satzes, den er bei seinem Auftritt am Donnerstag in München ins Publikum rief, war ihm dabei aber wohl nicht bewusst – ein paar Stunden zuvor hatte ihm eine Umfrage gerade den schlechtesten Umfragewert seiner Amtszeit bescheinigt. Schulz, der einstige Messias, liegt bei 20 Prozent; so wenig, wie man zuletzt unter Sigmar Gabriel hatte.
Alles deutet auf Merkel
Im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale, ist die Stimmung darum gelinde gesagt durchwachsen. Selbst Parteigranden wie Klaus von Dohnanyi, Alt-Bürgermeister Hamburgs, kritisieren Schulz nun öffentlich: Wenn er sich weiter so schwammig in puncto Koalitionsansagen gebe, werde "er vielleicht gar nicht wählen gehen", so das SPD-Urgestein.
Machterhalt
Das trifft einen wunden Punkt. Dass Schulz weder eine Große Koalition noch Rot-Rot-Grün ausschließt, obwohl Zweiteres rechnerisch gar nicht möglich ist, hält nämlich einige Wähler bei der Stange, es verprellt aber auch viele. Und dass im Hintergrund mit einer Neuauflage der Großen Koalition geliebäugelt, sogar über mögliche Posten gesprochen wird, bringt auch wenig Stimmen – so verfestigt sich nur der Eindruck, man sei nur am Machterhalt interessiert.
Dass Von Dohnanyi das kritisiert, ist damit nur nachvollziehbar. Seine Attacken erinnern aber auch an die Selbstzerfleischung, die die Genossen 2009 und 2013 durchlebt haben: Damals begann man nämlich mit der Klärung der Schuldfrage, bevor die Wahl überhaupt verloren war. Für Schulz, der bisher unumstritten war, ist das kein gutes Zeichen – er muss nach einer verlorenen Wahl um sein Amt als Parteichef bangen. Die Schmerzgrenze liege bei 23 Prozent, heißt es; dem historisch schlechtesten Wert der SPD, den Steinmeier 2009 einfuhr.
Zerreißprobe
Dass Schulz sein "Ich will Kanzler werden"-Mantra weiter herunterbetet, ist darum auch mehr Motivation für die entmutigte Parteibasis als ernst gemeinte Ansage. Dort wird ihm der Einsatz hoffentlich nützen: Die Mitglieder müssen nämlich – so er die Wahl nicht krachend verliert – über einen möglichen Koalitionsvertrag mit der Union abstimmen; und beliebt ist die "GroKo" dort nicht gerade. Kassiert Schulz da eine Abfuhr, steht der SPD jedenfalls eine richtig schwierige Zeit bevor.