Politik/Ausland

Merkels EU-Pläne doch im Wahlkampf

Im allerletzten Moment wird die Europa-Politik doch noch wichtiger im Wahlkampf. Nach der Neupartei „Alternative für Deutschland“, die den hochverschuldeten Südländern den Euro entziehen will, steht nun auch die FDP im Verdacht, von Rettungskonzepten abzurücken. Die Süddeutsche Zeitung entdeckte im FDP-Programm die Zwei-Satz-Forderung, den Euro-Rettungsschirm ESM nach erfolgreicher Stabilisierung der Länder abzuschaffen. Das sagen aber weder dessen Statuten noch die Regierungen. Der Passus des im April beschlossenen FDP-Wahlprogramms ist denn auch mehr Alibi für die wenigen Euro-kritischen FDP-Abgeordneten: Parteichef Philipp Rösler und Spitzenkandidat Rainer Brüderle nehmen dazu nicht Stellung, in Berlin ist das kein Thema.

Das ist hingegen Kanzlerin Merkels künftige Europa-Politik. Als erstes Medium thematisiert sie nun das Handelsblatt. Unter Berufung auf ungenannte enge Berater von ihr prophezeit es deren grundsätzliche Neuausrichtung: Merkel werde nach der Wahl „eine Kehrtwende einleiten“, mit der Macht von Brüssel in die Staaten zurück verlagert wird.

Bisher unbeachtete Zitate Merkels belegten das, etwa ein TV-Interview, wo sie nach ihrer Standard-Antwort zum Euro sagte: „Dazu muss ich nicht alles nach Brüssel geben.“

Miss-Stimmung

Deutschlands größte Wirtschaftszeitung greift damit eine rasch wachsende Missstimmung in Merkels Umgebung auf: Die EU-Kommission wird dort als „die schwächste aller Zeiten“ bezeichnet. Die langfristige Absicherung des Euro durch Stärkung Europas gilt als weitgehend gescheitert. Daran trügen Frankreichs Präsident Hollande sowie die italienische Politik nicht die alleinige, aber die Hauptschuld, so Berater der Kanzlerin: Zwar starteten sie fast wöchentlich Versuche, mittels Vergemeinschaftung an deutsches Steuer-, Banken- und gar Sparergeld heranzukommen. Jede minimale Bedingung dafür werde aber empört als Einmischung abgelehnt, von der formal vereinbarten Schuldenbremse bis zu Reformen von Rente und Arbeitsmarkt.

Das könnte sich bei der Europawahl im Mai im Zulauf zu radikalen Parteien niederschlagen, fürchtet Merkel. Die AfD sieht sie als Warnsignal dafür, unterfüttert von vielen Umfragen. Die aktuellste liefert das Handelsblatt mit: 50 Prozent der Deutschen sind für die Rückverlagerung von Macht aus Brüssel in die Mitgliedsstaaten, nur 26 Prozent dagegen. Das verstärkt die Kritik im Wahlkampf.

Als Alternative zur bisher angepeilten Vertiefung der EU-Verträge denkt Merkel an mehr Vereinbarungen der Staaten untereinander. Die könnte auch die skeptischen Briten in der EU halten. Das deutsche Extra-Geld für Spanien im Juni war ihr Versuchsballon.