Politik/Ausland

"Merkel kann gern Vizekanzlerin sein"

Irgendwie ist immer ein Lacher zu viel. Als Martin Schulz am Montag in der Berliner SPD-Parteizentrale steht, hinter ihm die überlebensgroße Figur Willy Brandts, da kommt immer wieder die gleiche Frage: Mit wem er denn regieren wolle, der SPD-Chef, dessen Partei in manchen Umfragen nur bei lauen 21 Prozent liegt?

Schulz lacht dann immer ein bisschen zu lang; und die Antwort ist ausweichend: "Das entscheidet der Wähler."

GroKo-Inserat

Knapp zwei Wochen sind es noch bis zur Wahl, und die Lage für die Genossen ist nicht rosig: Die CDU liegt bei 37 Prozent, Veränderungen gab es für die SPD seit dem TV-Duell nur nach unten. Am Montag ließ Schulz die Wähler darum in ganzseitigen Inseraten wissen, was sie mit ihm bekommen würden: Keine Rente mit 70, gleiche Löhne für Männer und Frauen, bessere Schulen und mehr Zusammenhalt in Europa, so seine "Bedingungen für die SPD in der Regierung". Das soll vielleicht wie ein letztes Aufbäumen klingen, wirkt aber selbst für Wohlmeinende eher wie ein Verhandlungspapier über die Verlängerung der jetzigen Koalition: Schulz blinkt in Richtung GroKo – und da bleibt ihm nur der Part als Juniorpartner, auch wenn er das nicht laut sagen will.

Grund für dieses Dilemma ist die Wahlarithmetik. Durch den Einzug der AfD verschieben sich die Machtverhältnisse – bleibt die SPD wie jetzt bei unter 25 Prozent, hat Schulz weder die Chance auf eine rot-gelb-grüne Ampel, noch auf Rot-Rot-Grün. Wenn er darum wie am Montag gebetsmühlenartig wiederholt, dass "die Hälfte der Wähler ja noch unentschlossen ist", und launig meint, dass "Frau Merkel gerne als Vizekanzlerin" in sein Kabinett eintreten" könne, dann ist das mehr Motivationsrede für die eigene Partei: Treten die Genossen nach dem 24. September in Regierungsverhandlungen mit der CDU, steht Schulz nämlich ein Mitgliedervotum zur "GroKo" bevor – und das könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen.

Merkels Dilemma

Das ist ein Problem, das auch Angela Merkel bewusst ist. Spricht sich die SPD für die Opposition aus, was bei einem sehr schlechten Ergebnis durchaus denkbar ist, sind die Optionen der CDU-Chefin nämlich auch begrenzt: Nach derzeitigem Stand hätte dann nämlich nur mehr eine Jamaika-Koalition eine Mehrheit: ein Bündnis aus Union, Grünen und der FDP. Und das ist eine Konstellation, die bei allen Beteiligten jetzt schon für Bauchschmerzen sorgt. Merkel selbst gilt zwar durchaus als Befürworterin des Bündnisses – in der CDU hofft man, dass sich Grüne und FDP in ihren zu extremen Forderungen neutralisieren könnten –, doch genau darum zieren sich die beiden im Vorfeld: "Ich glaube nicht an ein solches Bündnis", ließ FDP-Chef Christian Lindner jetzt selbstbewusst wissen; die Grünen giften schon länger in Richtung Liberale. Da heißt es schon einmal, die FDP "stehe im Wettbewerb mit der AfD", weil sie jüngst ein bisschen deftigere Worte in puncto Asylpolitik wählte.

Favorit Schwarz-Gelb

Merkel hält sich zu all dem ohnehin gern bedeckt. "Alles außer AfD und Linkspartei" lautet ihr Mantra – dass sie sich nicht offen zu einem Bündnis bekennt, hat taktische Gründe: Auch wenn die Mehrheit der Wähler – nämlich beinahe ein Drittel – klar für eine Koalition aus Union und FDP ist, so würde eine Festlegung mögliche Wechselwähler aus dem linken Spektrum abschrecken. Ebenso ist es bei einem Ja zu Schwarz-Grün, das das rechte und wirtschaftsliberale Lager abschrecken würde. Dass sie sich nicht zu einer großen Koalition bekennt, ist nur logisch: Gerade einmal zehn Prozent der Wähler favorisieren eine Fortsetzung des jetzigen Zustandes.

Das erklärt auch Schulz’ schwammigen Umgang mit einer Festlegung. Dennoch: Wenn er wie am Montag meint, "wer Merkel ablösen will, muss SPD wählen", dann stimmt das nur bedingt. Denn auch mit einem Kreuz für ihn bekommt man vermutlich Merkel – nur ziemlich sicher nicht als Vizekanzlerin.